„Gemeinschaft der Seligpreisungen“ will Missbräuche aufarbeiten

Die charismatische katholische „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ will ihre eigene Geschichte kritisch überprüfen. Die jüngst beendete Generalversammlung der Gemeinschaft beschloss die Einrichtung einer unabhängigen Kommission, wie die Zeitung „La Croix“ (online Dienstagabend) berichtete. Themen seien die Aufarbeitung gravierender Versäumnisse bei sexuellen Übergriffen und Gewissensmissbrauch. Ein Zeitplan stehe trotz der hohen Erwartungen der Opfer noch nicht fest, hieß es.

Eigentlich sollte die Versammlung, für die in Nouan-le-Fuzelier (Departement Loir-et-Cher) 71 Delegierte aus fünf Kontinenten zusammenkamen, eine neue Leitung wählen. Doch der für die kirchenrechtliche Aufsicht der Gemeinschaft zuständige Erzbischof von Toulouse, Guy de Kerimel, teilte zu Beginn der Sitzung mit, dass die Wahlen auf Christi Himmelfahrt verschoben wurden. Er wolle die Mitglieder der Kommunität besser kennenlernen, da er für die Vorschläge von Kandidaten verantwortlich ist, hieß es. Nach zwei vierjährigen Amtszeiten gibt die deutsche Ordensfrau Anna Katharina Pollmeyer (53) die Leitung der Gemeinschaft im Mai ab.

In den nächsten Monaten könnten laut dem Bericht Entscheidungen über mögliche Entschädigungen getroffen werden. Anfang Oktober war ein Gremium von Opfern der Gemeinschaft gegründet worden. Zugleich erhielt der neue nationale kirchenrechtliche Strafgerichtshof von den Bistümern Albi, Saint-Die und Toulouse ein Mandat für Vorermittlungen.

Die „Gemeinschaft der Seligpreisungen“ wurde 1974 vom Ehepaar Ephraim und Josette Croissant gegründet. Sie ging aus der Charismatischen Erneuerungsbewegung hervor und ist auf allen Kontinenten aktiv. Die jüdischen Wurzeln des Christentums spielen in der Gemeinschaft, die früher die Bezeichnung „Löwe von Juda“ führte, eine zentrale Rolle. Ihr gehören verheiratete oder alleinstehende Laien sowie Priester und Ordensleute an.

Der Heilige Stuhl hatte in den 2010er Jahren von der Leitung der Gemeinschaft verlangt, sie müsse ihre Niederlassungen nach klösterlichem Leben organisieren. Zudem müsse die Gemeinschaft strenger zwischen Familien und zölibatär lebenden Mitgliedern unterscheiden.

2008 waren sechs Mitglieder der Leitung der Gemeinschaft verhört worden, weil sie sexuelle Übergriffe gegen Minderjährige nicht angezeigt haben sollen. Der frühere Moderator der Gemeinschaft, Philippe Madre, wurde wegen Missbrauchs in den Laienstand versetzt. Auch der Gründer der Gemeinschaft, Ephraim Croissant, gab sexuelle Beziehungen zu Mitgliedern zu, darunter zu einer Minderjährigen.

Pollmeyer gehört der Gemeinschaft seit 1993 an. Sie war in mehren Häusern in Deutschland, Frankreich und Bosnien-Herzegowina tätig. Seit 2010 war sie Assistentin des Dominikaners Henry Donneaud, der im Auftrag des Vatikan als Kommissar die Neustrukturierung der Gemeinschaft überwachen sollte.