Geflüchtete in Deutschland

Frühjahrstagung der Ruhrsuperintendenten-Konferenz befasst sich an der Evangelischen Hochschule in Bochum mit aktuellen Flüchtlingsthemen

BOCHUM – „In der Tradition unserer christlichen Kultur haben wir die unbedingte Verpflichtung zur Nothilfe!“ Mit klaren Worten stellte die neue Rektorin der Evangelischen Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe, Sigrid Graumann, die Position der Evangelischen Kirche im Ruhrgebiet klar. Die Ruhrsuperintendenten-Konferenz rückte auf ihrer Frühjahrstagung in Bochum das Thema „Geflüchtete in Deutschland“ in den Mittelpunkt. Ausgehend von der gleichnamigen Buchveröffentlichung, herausgegeben von der Diakonie, der Evangelischen Hochschule Bochum und der Ruhrsuperintendenten-Konferenz, wurde nach aktuellen Ansichten, Allianzen und Anstößen gefragt.
„Nachdem sich die Willkommenseuphorie von 2015 spätestens mit der Silvesternacht in Köln zur Flüchtlingskrise veränderte, kamen Fragen auf, wie es denn nun weitergehen kann“, formulierte Joachim Deterding, Mitherausgeber des Buches und Superintendent des Kirchenkreises Oberhausen. Wie kann die Arbeit mit geflüchteten Menschen auch nach dem Abebben der ersten Euphorie aussehen und welche Aufgaben kann die Kirche übernehmen? Beim geistlichen Impuls zu Beginn der Tagung wurde deutlich, Flucht und Fremdsein sind in der Bibel ein durchgehendes Thema. Die Bibel – ein Migrationsbuch gar?
„Die größte Möglichkeit, uns einzubringen, liegt in den einzelnen Kirchengemeinden, in den Sozialräumen, überall direkt vor Ort“, betonte Diakoniepfarrerin Barbara Montag. Als Mitherausgeberin des als Nachschlagewerk gedachten Buches sieht sie im direkten, ganz praktischen Handeln die besondere Chance von Kirche. So sollen etwa für Kinder geflüchteter Familien rasch U3-Betreuungsplätze geschaffen werden. Und Michael Stache, ständiger stellvertretender Superintendent in Dortmund und Moderator der Ruhrsuperintendenten-Konferenz, beschrieb Beispiele aus Dortmund: Spezielle Weiterbildung für Mitarbeiterinnen von Kindertagesstätten, Hilfe für traumatisierte Flüchtlingskinder.
Als Gast der Frühjahrstagung sprach die Duisburger Polizeipräsidentin, Elke Bartels. Sie betonte, dass das gesellschaftliche Klima zunehmend rauer werde. Der Staat müsse die Migration steuern können und im konkreten Fall differenzierte Hilfe anbieten. Angemessener Wohnraum in überschaubaren Bereichen, um so eine Ghettobildung zu vermeiden, sei hier besonders wichtig.
Was ist vertretbare Flüchtlingspolitik, was ist es nicht? Hochschulrektorin Graumann stellt klar: „Abschottung ist nicht vertretbar. Ebenso ist es keine vertretbare Politik, Menschen, die hier auf Dauer geduldet werden, keine Integration anzubieten. Verpflichtung zur Nothilfe, und die, die hier bleiben, sollten eingebürgert werden.“
Das Gestalten von Integration geschehe dabei durchaus im Spannungsfeld von Angst vor Veränderung und Fremdenfeindlichkeit. „Einbürgerung heißt keineswegs Gleichmacherei, sondern verlangt auch, dass alle voneinander lernen“, so Pfarrer Stache.
Die rosaroten Luftballons und Plüschtiere der ersten überschwänglichen Willkommenseuphorie sind verschwunden. Jetzt steht ein Prozess bevor, der auch das Reflektieren der eigenen Positionen mit einschließt. Es wird keine einfachen Antworten geben und man wird sich auch unangenehmen Fragen stellen müssen. Ein Prozess, der lange dauern wird, darin sind sich alle in Bochum einig.