Die Gedenkstätten Augustaschacht und Gestapokeller bei Osnabrück unterstützen den Aufbau einer der ersten Erinnerungsorte an jüdisches Leben in einem Dorf in Lettland. Der Verein „Drei Stufen“ wolle in Viski, einer Gemeinde mit heute etwa 1.200 Einwohnern im Südosten des Landes, eine Gedenk- und Erinnerungsstätte einrichten, sagte der Gedenkstättenleiter Michael Gander am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd). Sie solle auf dem Gelände der zerstörten ehemaligen Synagoge an die Ermordung und Verschleppung fast sämtlicher Juden nach der Besetzung durch das deutsche NS-Regime erinnern. In Viski, einem sogenannten „Schtetl“, lebten vor 1941 mehrheitlich Juden.
Die Bürger der Umgebung und internationale Besucherinnen und Besucher sollten sich dort informieren, bilden und begegnen können, erläuterte Gander. Solche Erinnerungsorte auf dem Lande seien noch in ganz Osteuropa selten, obwohl dort vor der NS-Zeit viel mehr Jüdinnen und Juden gelebt hätten als in Deutschland. Sie hätten vielerorts das Leben bestimmt. Heute hingegen lebten dort kaum noch Menschen jüdischen Glaubens. „Man fährt durch Landstriche und Dörfer, die ganz normal aussehen. Und doch fehlt überall ein erheblicher Teil der Bevölkerung.“
Umso wichtiger sei es, mit der Gedenkarbeit zu beginnen, betonte Gander. Auch Letten seien als Kollaborateure an den Erschießungen und Verschleppungen der Juden beteiligt gewesen. Bei der Aufarbeitung dieses Teils der Geschichte stehe Lettland jedoch erst am Anfang.
In Viski hätten 1935 noch 423 Juden gelebt, sagte der Initiator des Projektes, der Kantor der Jüdischen Gemeinde Osnabrück, Baruch Chauskin. Seine Großmutter stammte aus dem Dorf. Nach der deutschen Besetzung 1941 seien fast alle Juden direkt erschossen oder in ein 20 Kilometer entferntes Ghetto verschleppt und dort ermordet worden. Nur ganz wenige hätten die Massaker überlebt, darunter seine Großmutter. Heute lebe in Viski kein einziger jüdischer Mensch mehr, sagte Chauskin. Der neue Erinnerungsort solle auch die Geschichte des friedlichen Zusammenlebens vor der NS-Zeit sichtbar machen.
Der Kantor hat nach eigenen Angaben den Verein „Drei Stufen“ gegründet, nachdem er 2012 bei einem Besuch in Viski drei Eingangsstufen auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge entdeckt hatte. Mittlerweile seien drei Schulen aus dem Landkreis Osnabrück an dem Projekt beteiligt. In Sommerlagern der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste hätten junge Menschen aus verschiedenen Ländern das Fundament der ehemaligen Synagoge freigelegt. Politiker aus Viski und der Region seien an den Plänen zur Errichtung eines Erinnerungsortes beteiligt und unterstützten sie.