Gedenken an Novemberpogrome – Schuster würdigt Erinnerungskultur
Vor 86 Jahren löschten die Nazis Leben von Juden aus und zerstörten Synagogen und Geschäfte. Rund um den 9. November wird an die Opfer erinnert. Der Präsident des Zentralrats der Juden äußert sich zur Erinnerungskultur.
In Deutschland ist am Samstag an die Opfer der gegen die Juden gerichteten NS-Novemberpogrome von 1938 erinnert worden. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, würdigte die Erinnerungskultur. Weil der 9. November in diesem Jahr auf den jüdischen Ruhetag Schabbat fiel, waren Gedenkveranstaltungen auch für Samstagabend und rund um das Datum geplant. So erinnert beispielsweise die Jüdische Gemeinde zu Berlin an diesem Dienstag an die Opfer. Dabei sollen den ganzen Tag über auch die Namen der 55.696 ermordeten Berliner Jüdinnen und Juden verlesen werden.
Schuster sagte der “Frankfurter Allgemeinen Zeitung” (Samstag), die Erinnerungskultur in Deutschland sei grundsätzlich auf einem guten Weg. Es gebe regional wie überregional viele Gedenkveranstaltungen etwa an die Pogrome vom November 1938. “Aus dem Gedenken an tote Juden muss dann aber auch das Bewusstsein für den Antisemitismus in unserer Zeit erwachsen, der häufig in einem neuen Gewand erscheint.”
Als “leider zu begrenzt” bezeichnete der Zentralratspräsident die finanzielle Unterstützung für KZ-Gedenkstätten. Ein Land wie Deutschland müsse unter Berücksichtigung der eigenen Geschichte die Mittel dafür aufbringen, “auch wenn es schwer ist”, so Schuster.
Die Novemberpogrome jähren sich dieses Mal zum 86. Mal. Sie waren eine vom NS-Regime organisierte und gelenkte Zerstörung von Einrichtungen von Jüdinnen und Juden im gesamten damaligen Deutschen Reich. Nach unterschiedlichen Schätzungen wurden zwischen dem 7. und 13. November 1938 im Reichsgebiet zwischen 400 und 1.300 Menschen ermordet oder in den Suizid getrieben. Mehr als 1.400 Synagogen, Betstuben und sonstige Versammlungsräume sowie Tausende Geschäfte, Wohnungen und jüdische Friedhöfe wurden zerstört. Rund 30.000 Juden wurden in Konzentrationslager verschleppt.
Der Künstler und Initiator der Stolperstein-Aktion, Gunter Demnig, sagte WDR 5: “Mit den Steinen werden wieder Spuren verlegt – hoffentlich für längere Zeit. Und wenn was rausgerissen wird, dann werden sie ersetzt. Aber das Prinzip Spurenlegen, das ist das Wichtigste und das ist auch für die Angehörigen wichtig. Denn das ist auch etwas, was mir der Rabbi von Köln mitgegeben hat: Ein Mensch ist erst vergessen, wenn der Name vergessen ist.”
Demnig sagte zugleich, dass seine Aktion nicht ganz ungefährlich sei: “Drei Morddrohungen in den mehr als 30 Jahren – aber vor Ort bei den Verlegungen gibt es eigentlich kaum Angriffe.” Demnig hat den Angaben zufolge seit 1996 bisher rund 113.000 Stolpersteine in mehr als 30 Ländern Europas verlegt.
In Österreich hatten derweil am Freitag jüdische Studierende dem Österreichischen Nationalratspräsidenten Walter Rosenkranz (FPÖ) die Teilnahme an einem zentralen Schoah-Gedenken in Wien verweigert. Wie die Gruppe Jüdische österreichische Hochschüler:innen auf der Plattform X mitteilte, wurde Rosenkranz von den Demonstrantinnen und Demonstranten daran gehindert, einen Kranz zum Gedenken am Judenplatz niederzulegen. Der FPÖ-Politiker habe daraufhin mit der Räumung des Platzes durch die Polizei gedroht.
Ein von der Gruppe auf X geteiltes Video zeigt die Diskussion mit dem Nationalratspräsidenten, dem die Demonstranten unter anderem eine Glorifizierung ehemaliger österreichischer NS-Täter vorwarfen.