Gedenken an die Bombenangriffe vor 80 Jahren

Der britische Fliegerangriff von 1942 verbindet sich auf schicksalhafte Weise mit dem Krieg in der Ukraine. Die Gedenkveranstaltungen zu „Palmarum 1942“ beginnen am 28. März

Symbol der Zerstörung sind die Glocken in der Marienkirche.
Symbol der Zerstörung sind die Glocken in der Marienkirche.epd/Thomas Berg

Lübeck. Wenn in diesen Tagen die Glocken der Marienkirche läuten, dann wandern die Gedanken von Pastor Robert Pfeifer zur Partnergemeinde nach Danzig. „Von dort hat uns ein Hilferuf erreicht“, erzählt er aufgewühlt. Viele Waisenkinder aus der Ukraine werden offenbar in die polnische Stadt gebracht, wo sie dringend versorgt werden müssen. Er habe daher in zwei Tagen eine Hilfsaktion aus dem Boden gestampft, so Pfeifer. Matratzen, Schlafanzüge und Windeln rollen mit einem großen Lastwagen bereits nach Danzig. „Ich fahre jetzt noch zum Baumarkt und hole ein Notstromaggregat. Das bringen wir zu einem Krankenhaus in die Ukraine.“

Ruhelos sind Pfeifers Tage seit der russischen Invasion. Und dann treibt ihn auch noch das Gedenken an den Fliegerangriff auf Lübeck im Zweiten Weltkrieg um. Er ist einer der Initiatoren einer Veranstaltungsreihe der vier Lübecker Innenstadtgemeinden Dom zu Lübeck, St. Aegidien, St. Jakobi und St. Marien.

Blutige Wunde

Die Bombennacht vom 28. auf den 29. März 1942 hat damals eine blutige Wunde in die Stadt- und Kirchengeschichte geschlagen. Gegen 23.30 Uhr heult wie so oft ein Fliegeralarm durch die Straßen, der die Menschen in die Schutzkeller treibt. Doch was dann geschieht, ist ein beispielloser Vergeltungsschlag der britischen Alliierten, die den brutalen Angriff der deutschen Wehrmacht auf die Stadt Coventry rächen. 234 Flugzeuge überfallen die Hansestadt und werfen Tausende Bomben auf die Menschen nieder. Mehr als 300 sterben, gut die Hälfte der 22 000 Gebäude werden zerstört oder beschädigt. Lübeck liegt in Trümmern.

Dieses mörderische Bombardement bleibt als „Palmarum 1942“ im Gedächtnis der Lübecker. Besonders betroffen waren der Dom, St. Marien und St. Petri. St. Jakobi wird wie durch ein Wunder verschont. In St. Aegidien bersten nur die Fenster. Die an Denkmälern und Kunstschätzen überreiche St.-Marien-Kirche hingegen brennt vollständig aus. Auch die 500 Jahre alte sogenannte Totentanz­orgel wird zerstört. Man erzählt die Geschichte, dass die Glocken läuteten, während die lodernden Kirchtürme einstürzten. Doch später zerschellen auch die Glocken am Boden.

Schicksalhafte Wiederholung der Geschichte

„Lübeck hat überlebt“, sagt Robert Pfeifer nachdenklich. Etwa 100 000 Einwohner zählte seine Stadt damals, und genauso viele Flüchtlinge kamen noch einmal hinzu. Wenn jetzt die Menschen in der Ukraine um ihr Leben laufen und Zuflucht suchen, dann sei es kaum zu ertragen, wie schicksalhaft sich die Geschichte wiederholt. Er sei wie die meisten tief erschüttert, so Pfeifer. Doch gemeinsam mit allen Helfern wolle er Ohnmacht in Tatkraft wandeln. Die Gedenkveranstaltungen zu „Palmarum 1942“ beginnen am Montag, 28. März, um 20.30 Uhr mit einer Andacht. Am 29. März folgt um 20 Uhr ein Orgelkonzert. Am 10. April – Palmarum 2022 – wird um 10.40 Uhr im Dom zu Lübeck ein Gottesdienst gehalten. Die Predigt hält Altbischof Karl-Ludwig Kohlwage. Lübecks Bürgermeister Jan Lindenau spricht ein Grußwort.

Die zerschlagenen Glocken von St. Marien

Die zerschlagenen Glocken von St. Marien sind seit jeher ein Symbol für die Wucht der Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg. Und doch gibt es da noch eine andere Geschichte, die die dunklen Stunden aufhellt. Hitler hatte in den Tagen des Krieges dazu aufgerufen, Kirchenglocken zum Einschmelzen für Panzer und Waffen abzugeben. Auch die Glocken aus Danzig wurden nach Hamburg gebracht, wo sie auf einem riesigen Glockenfriedhof gelagert worden sind. Sie blieben bis Kriegsende jedoch unversehrt. Pastor Gerhard M. Gülzow aus Danzig, der nach Lübeck geflohen war, brachte sie zurück in die Stadt. Aus seiner damaligen Marienkirche stammt eine, aus der Kirche St. Johannes stammen zwei weitere. Seit Beginn des Ukraine-Krieges schlagen diese Glocken jeden Tag um 12 Uhr. Sie sind damals wie heute mächtige Zeitzeugen.

Das vollständige Veranstaltungsprogramm „80 Jahre Palmarum“ ist unter www.innenstadtkirchen-luebeck.de einzusehen.