Innerhalb von 72 Stunden sollen nun die 48 verbliebenen toten und lebenden Hamas-Geiseln freigelassen werden. Im Gegenzug kommen palästinensische Gefangene frei. Dagegen haben Familien von Terroropfern Einspruch erhoben.
Die israelische Regierung hat nach mehrstündigen Beratungen das Abkommen zum Waffenstillstand im Gazastreifen angenommen. Damit stehe das Land vor der Erreichung eines der zentralen Kriegsziele, der Rückführung aller Geiseln, erklärte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Freitag. Das Waffenstillstandsabkommen zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas trat laut israelischer Armee um 12.00 Uhr (Ortszeit) in Kraft. Israelischen Medienberichten zufolge sollen die 48 toten und lebenden Geiseln innerhalb von 72 Stunden freigelassen und aus dem Gazastreifen nach Israel zurückgebracht werden.
Netanjahu dankte US-Präsident Donald Trump und seinem Team für die “außerordentliche Unterstützung”. Auch Präsident Isaac Herzog sprach den USA bei einem Treffen mit den US-Sonderbeauftragten Jared Kushner und Steve Witkoff in Jerusalem seine Anerkennung für ihre “entscheidende und historische Rolle” aus: bei der Rückführung der Geiseln, der Förderung der Sicherheit Israels und der Wegbereitung für eine neue Ära der Zusammenarbeit im Nahen Osten.
Die israelischen Truppen positionierten sich seit dem Mittag “entlang der aktualisierten Einsatzlinien”, so die Armee. Man werde weiterhin “alle unmittelbaren Bedrohungen beseitigen”.
Die Armee bestätigte in der Nacht zu Freitag, vor dem Inkrafttreten des Waffenstillstands, weitere Angriffe auf Ziele im nördlichen Gazastreifen. Diese hätten einer “Hamas-Terrorzelle” gegolten, die in der Nähe von israelischen Soldaten operiert habe. Die Hamas verurteilte indes israelische Angriffe im Westen der Stadt Gaza, bei der “über 70 wehrlose, unschuldige Zivilisten getötet und verletzt wurden”. Sie warf Netanjahu vor, die Bemühungen der Vermittler zu stören und die Umsetzung des Abkommens zur Beendigung des Krieges und der Aggression gegen Gaza zu behindern.
Nach dem Rückzug der Armee an die vereinbarten Linien soll mit der Freilassung der lebenden israelischen Geiseln sowie der Überführung der Leichen der getöteten Geiseln begonnen werden. Es befinden sich noch 48 Geiseln im Gazastreifen. Mindestens 26 von ihnen sind nach israelischen Angaben nicht mehr am Leben. Israel verpflichtete sich in dem Abkommen im Gegenzug zur Freilassung von 250 palästinensischen Sicherheitsgefangenen mit lebenslänglichen Haftstrafen sowie von 1.700 Palästinensern, die seit Kriegsbeginn im Gazastreifen festgenommen worden waren.
Die Zeitung “Haaretz” berichtete, dass Familien von Terroropfern Einspruch beim obersten israelischen Gericht gegen die im Abkommen vereinbarte Freilassung palästinensischer Gefangener erhoben haben. Die Freilassung von Hamas-Terroristen sei “inakzeptabel”.
Mit dem Waffenstillstandsabkommen wurde auch die humanitäre Hilfe der katholischen Kirche im Gazastreifen wieder aufgenommen. “In diesen Tagen findet eine Lieferung statt”, bestätigte der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Kardinal Pierbattista Pizzaballa. Der italienische Franziskaner an der Spitze der lateinischen Katholiken im Heiligen Land äußerte sich zuversichtlich, dass auch das Material für die in Zusammenarbeit mit dem Hilfswerk Malteser International geplante Klinik eingeführt werden könne.
Deutschland plant zeitnah gemeinsam mit Ägypten und weiteren Staaten eine Wiederaufbaukonferenz für Gaza. “Wir sind willens und bereit, Verantwortung zu übernehmen und werden das jetzt auch sehr schnell tun”, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amts in Berlin. Zunächst gehe es um die akute humanitäre Hilfe auch über Hilfsorganisationen wie Unicef. Hierfür stünden 29 Millionen Euro zur Verfügung. Auch das Entwicklungsministerium erklärte seine Bereitschaft zur Akuthilfe.
Der 7. Oktober 2023 hat auch in Deutschland die Zahlen antisemitischer Straftaten und Vorfälle in die Höhe schnellen lassen. Ob das neue Abkommen zwischen Israel und der Hamas zur Freilassung der Geiseln und für einen Waffenstillstand diese Entwicklung verändert, ist Fachleuten zufolge offen. Der Gaza-Krieg sei nicht der Grund für antisemitische Mobilisierung, sondern ein Anlass und ein Ventil, sagte Alexander Rasumny, Sprecher der Beratungsstelle Ofek in Berlin, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). “Der politische Antisemitismus entlädt sich dadurch, wird durch die Mobilisierung angetrieben, stellt aber keine Ursache dar.”