Gauck fordert, Solidarität mit Israel deutlicher zu zeigen

Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck kritisiert die Enthaltung Deutschlands bei der Resolution zu Gaza in der UN-Vollversammlung. Wenn die Sicherheit Israels deutsche Staatsräson sei, „dann sollte es wenigstens dazu reichen, bei so einer Resolution an der Seite Israels zu stehen“, sagte Gauck bei einer Lesung im Nürnberger Caritas-Pirckheimer-Haus am Montagabend. In der Resolution wurde am vergangenen Freitag eine humanitäre Waffenruhe in der Region gefordert. Der Terror der radikalislamischen Hamas wurde darin nicht verurteilt, weswegen sich Deutschland enthielt, aber nicht mit Nein stimmte.

Er könne die politischen Gründe für die Entscheidung verstehen, sagte Gauck, „aber wenn man so deutlich über unseren Beistand und unsere Solidarität gegenüber Israel spricht, dann muss man das auch besonders deutlich auf dieser Bühne zeigen“. Man dürfe die Siedlungspolitik des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu kritisch sehen oder bestimmte Siedlergruppen für rechtsfeindlich und fanatisch halten. Dies dürfe aber nicht zu einer „ja, aber“-Einstellung führen, mit der der Terror der Hamas relativiert werde. „Wir dürfen uns nicht von unserer Versicherung, dass wir für immer solidarisch mit Israel sind, zurückziehen“, forderte Gauck.

Mit Michael Husarek, dem Chefredakteur der Nürnberger Nachrichten, redete Gauck über sein in diesem Jahr erschienenes Sachbuch „Erschütterungen. Was unsere Demokratien von außen und innen bedroht“. Mit Blick auf den politischen Rechtsruck in beinahe allen europäischen Ländern sagte Gauck, dass sich einige strukturkonservative Menschen von einer Politik der liberalen Mitte nicht vertreten fühlten. Diese würden in den vermeintlich tröstlichen Hafen der Populisten flüchten. „Wenn Angst oder Wut im Kopf herum schwappen, wird nicht mehr so genau hingeschaut“, sagte Gauck. Man müsse lernen, sich mit populistischen Parteien politisch auseinanderzusetzen.

Dazu zähle er auch, einen Vizepräsidenten des Bundestages aus den Reihen der AfD zuzulassen. „Mein Bauch ist dagegen, aber mein Kopf ist dafür“, sagte Gauck. „Wir müssen sie aber stellen. Wir müssen sie verbal bekämpfen, wir müssen mit ihnen streiten. Ich nenne das kämpferische Toleranz.“ Außerdem müsse man differenzieren zwischen „Nazis, Reaktionären und Menschen, die nicht wissen, was richtig ist“. Gauck wünsche sich, dass die Menschen erkennen, dass Populisten inhaltlich wenig anzubieten hätten. Konservative mit Vokabeln und Inhalten zurückzugewinnen, die sich nicht auf deren Niveau hinablassen, sei jedoch keine leichte Aufgabe.

Auf die Frage von Michael Husarek, ob Deutschland von den richtigen Menschen geführt werde, antwortete Gauck: „Ja, denn wir haben sie gewählt.“ Auch wenn diese legitimiert seien, seien sie dennoch Menschen mit Fehlern. Künftig würden erfolgreiche Politiker solche sein, die in der Lage seien, ihre Ziele und Vorhaben deutlich zu kommunizieren. Ansonsten könne sich Misstrauen ausbreiten „und die demokratische Gesellschaft basiert auf Vertrauen zu unseren Institutionen und den Menschen, die demokratisch gewählt worden sind“, sagte Gauck. (00/3567/31.10.2023)