Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nimmt sich Amtsvorgängerin Angela Merkel (SPD) zumindest in einem zum Vorbild: Im Sommer stattet er der Bundespressekonferenz einen Besuch ab, um die drängenden Fragen der Hauptstadtpresse zu beantworten. Auch Olaf Scholz (SPD) hatte es so gehalten. Frühere Regierungschefs waren auch häufiger gekommen, aber das wollte Merz nicht zusagen am Freitag bei seinem ersten Auftritt als Regierungschef vor der berühmten blauen Wand in Berlin.
Anderthalb Stunden wurde er zum Streit in der Koalition über die gescheiterte Verfassungsrichterwahl, zu Abschiebungen nach Afghanistan, Sozial- und Europapolitik und der Lage der Wirtschaft gefragt. Eine seiner Botschaften vor dem Urlaub: „CDU/CSU und SPD werden eine ganz normale Arbeitsbeziehung haben.“
Zur normalen Arbeitsbeziehung zwischen Kanzler und Presse gehörte das hartnäckige Nachfragen, vor allem danach, wie es weitergeht, nachdem die Unionsfraktion die Wahl der vom Koalitionspartner SPD vorgeschlagenen Rechtswissenschaftlerin Frauke Brosius-Gersdorf zur Richterin am Bundesverfassungsgericht verhindert hatte. Die Antworten des Kanzlers bleiben auch nach der fünften Frage dazu kurz und ähnlich: Er vertraue darauf, dass die beiden Fraktionen „das gut regeln werden“. Ob Brosius-Gersdorf für ihn weiter als Kandidatin gesetzt ist, lässt er offen.
Der Union war insbesondere aufgestoßen, dass sich Brosius-Gersdorf in der Vergangenheit aus verfassungsrechtlichen Erwägungen dafür ausgesprochen hatte, Schwangerschaftsabbrüche in der Frühphase der Schwangerschaft außerhalb des Strafrechts zu regeln. Im vergangenen Bundestag hätte es für diese Position vielleicht sogar eine Mehrheit gegeben. Ein Entwurf zur Liberalisierung des Abtreibungsrechts wurde kurz vor der vorgezogenen Bundestagswahl aber nicht mehr zur Abstimmung gestellt.
SPD und Union haben im Koalitionsvertrag in der Frage nichts vereinbart, sich aber darauf verständigt, die Übernahme der Kosten für Schwangerschaftsabbrüche durch die Krankenkassen „über die heutigen Regelungen hinaus“ zu erweitern. Die Kosten tragen die Frauen derzeit in aller Regel selbst. Gefragt danach, ob die Union weiter dazu stehe, sagte Merz: „Was im Koalitionsvertrag verabredet worden ist, soll kommen.“
Der Kanzler selbst hob zu Beginn der Pressekonferenz die aus seiner Sicht erfolgreichen Ergebnisse der schwarz-roten Koalition hervor. Erste Priorität sei, die Volkswirtschaft aus der Rezession herauszuholen, sagte er und verwies auf das verabschiedete Investitionspaket und das Sondervermögen für Infrastruktur. Auch den Rückgang der Asylantragszahlen wertet er als Erfolg seiner Regierung. Die Zurückweisung Asylsuchender an den Grenzen, die rechtlich umstritten sind, gingen nur auf Zeit, sagte er. Man müsse es aber machen, „solange es in Europa nicht einen besseren Schutz der Außengrenzen gibt“. Zudem begrüßte er den just am Freitag gestarteten Abschiebeflug nach Afghanistan.
Nach dem Sommer erwartet Merz die geplante Reform des Bürgergeldsystems. Sie müsse „in diesem Herbst“ kommen, sagte er. Merz äußerte die Einschätzung, „dass wir mit 5,7 Millionen Bürgergeldempfängern doch ganz offensichtlich ein Problem haben, die Menschen ausreichend in den Arbeitsmarkt zu integrieren“. Dies sei die Motivation hinter der angestrebten Reform.
Er selbst werde in zwei Wochen „ganz zufrieden“ in seine Sommerferien gehen, verriet Merz und ergänzte: „Die werden kurz sein.“