Früherer Papstsekretär Gänswein wird wohl Vatikanbotschafter

Im Vatikan war Georg Gänswein als Papstsekretär über Jahre einer der einflussreichsten Männer. Dann fiel er bei Papst Franziskus in Ungnade. Jetzt deutet sich für den Schwarzwälder überraschend eine neue Perspektive an.

Die Freiburger Verbannung von Erzbischof Georg Gänswein geht offenbar zu Ende. Der 67-Jährige soll Vatikanbotschafter werden. Das berichtet zumindest die argentinische Zeitung „La Nacion“, die vor allem mit ihrer Korrespondentin Elisabetta Pique einen direkten Draht zum aus Argentinien stammenden Papst Franziskus hat. In welchen Staat Gänswein gehen soll, ist noch nicht bekannt.

Im Erzbistum Freiburg war zunächst kein Kommentar zu den Spekulationen zu erhalten. „Wir äußern uns nicht zu lateinamerikanischen Medienberichten“, hieß es. Gänswein lebt seit seiner Entlassung aus dem Vatikan im Sommer 2023 ohne offizielle kirchliche Aufgabe in Freiburg. Er hat eine Wohnung im Priesterseminar und feiert regelmäßig Gottesdienste im Freiburger Münster.

Gänswein war 19 Jahre lang der Privatsekretär von Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. und begleitete diesen in dessen Zeit als Präfekt der Glaubenskongregation, als Papst und als emeritierter Papst bis zu seinem Tod.

Gänswein stammt aus Riedern im Südschwarzwald. Er studierte Theologie in Freiburg und Rom und wurde 1984 zum Priester geweiht. Nach seinen Kaplansjahren schickte ihn der damalige Freiburger Erzbischof Oskar Saier für eine Doktorarbeit in Kirchenrecht nach München, die Gänswein 1993 mit der Bestnote abschloss.

Anschließend wurde er Saiers Privatsekretär. Weil ein Jahr später der Nuntius in Deutschland drängte, das Erzbistum Freiburg habe noch nie einen Priester an die Römische Kurie geschickt, wurde Gänswein nach Rom entsandt, blieb aber Priester des Erzbistums Freiburg.

Als Mitarbeiter der Gottesdienstkongregation war „Don Giorgio“ 1995 beispielsweise für Laisierungsanträge von Priestern zuständig, die heiraten wollten. Nach gut einem Jahr holte ihn Kardinal Ratzinger in die vatikanische Glaubensbehörde und machte ihn 2003 zu seinem Privatsekretär.

Mit der Wahl Ratzingers zum Papst im April 2005 wechselte Gänswein, der zeitweise in der Boulevardpresse als „George Clooney des Vatikans“ galt, in den Apostolischen Palast. Im Dezember 2012, kurz vor seinem Rücktritt, ernannte Benedikt XVI. ihn zum Präfekten des Päpstlichen Hauses. Als solcher war Gänswein für die offiziellen Termine des Papstes verantwortlich.

Zunächst bekleidete er diesen Posten auch unter Papst Franziskus; nach internem Streit um eine Buchveröffentlichung Anfang 2020 beurlaubte Franziskus den Deutschen, damit er sich ganz um Benedikt kümmern könne. Mit dessen Tod am 31. Dezember 2022 rückte Gänswein wieder verstärkt in die Öffentlichkeit, gab Interviews und veröffentlichte das Buch „Nichts als die Wahrheit“. Letzteres sorgte für Schlagzeilen, weil es Details über inhaltliche Konflikte zwischen Franziskus und Benedikt enthält.

Papst Franziskus hatte diese Veröffentlichung scharf kritisiert. Er warf Gänswein einen Mangel an Anstand und Menschlichkeit vor. Der Papst entband Gänswein von allen vatikanischen Aufgaben und schickte ihn nach Freiburg. Allerdings hatte der Papst auch ausdrücklich gesagt, man müsse Menschen, die einen Irrtum begangen haben, verzeihen und ein neues Kapitel aufschlagen. Dass die neue Aufgabe für Gänswein offiziell bestätigt wird, scheint nun nur noch ein Frage der Zeit zu sein.