Welche Rolle haben Sie selbst in der Erarbeitung der Denkschrift gespielt und was war für Sie ein spannender oder entscheidender Moment?
Es ist quasi eine doppelte Rolle gewesen: im Kammernetzwerk mit der Friedenswerkstatt und im Redaktionsteam, das Professor Reiner Anselm geleitet hat. Ich war die Co-Vorsitzende in beiden Gremien und habe die Koordination unter den beteiligten Evangelischen Akademien organisiert und selbstverständlich am Text auch mitgeschrieben. Es hat sich bewährt, dass das Redaktionsteam den Text entwickelt und geschrieben hat. Besonders spannend war für mich die Ostperspektive, die von vielen Beteiligten während der Konsultationen, die das Schreiben begleitet haben, eingetragen worden ist. Die Konsultationen waren für mich sehr lehrreich, weil man da gemerkt hat, wie wichtig Biografie für den Blick auf den Frieden ist, und wegen des Ringens um Friedensfragen.
Die neue Friedensdenkschrift der EKD stellt den „Schutz vor Gewalt“ ins Zentrum ihrer friedensethischen Positionen. Was bedeutet das für einen Krieg? Vor Gewalt schützen mit militärischer Gewalt?
Nein, das will ich in dieser Verkürzung weit von uns weisen. Was sie aber will, ist, auch Christen und Christinnen die politische Verantwortung tragen, ein Grundgerüst mit an die Hand geben, um ethische Entscheidungen zu treffen. Im äußersten Fall kann das, wenn alle anderen Mittel erschöpft sind, auch Gegengewalt sein. Im Gottesdienst zum Auftakt der Synode hat der Synodale Generalmajor Ruprecht von Butler gesagt, als Soldat sei er natürlich dem Grundgesetz verpflichtet, aber als Christ stärke es ihn, immer auch zu fragen, wie er in seinem Beruf dem Frieden vor dem Hintergrund des Evangeliums dienen könne.

Wir haben eine Verschärfung der Konflikte weltweit – das kann man auch nicht so einfach wegwischen. Das ist also eine Situation, in der wir gerade streiten: Freiheit, Pluralität, der Abbau von Ungleichheiten und andererseits die direkte Bedrohung von Leib und Leben. Wir müssen fragen, wie der Schutz vor Gewalt gelingen kann. Er hat ein klares Prä. Das hat eine doppelte Perspektive: Staaten müssen für den Schutz vor Gewalt ihrer Bürger und Bürgerinnen sorgen, sonst können Freiheit, Abbau von Ungleichheiten, Leben in Vielfalt nicht gelingen. Zugleich dürfen aber die für einen gerechten Frieden notwendigen Dimensionen der Förderung von Freiheit, des Abbaus von Ungleichheiten und des Schutzes vor Pluralität kein Grund dafür sein, Gewalt auszuüben.
Wenn Sie einen Wunsch an das EKD-Papier hätten, was würden Sie hoffen?
Ich war zuerst sehr skeptisch, ob es das Format einer Denkschrift wirklich braucht. Aber jetzt sehe ich doch das große Interesse, das sie auslöst, und hoffe, dass wir erstens in einen konstruktiven Diskurs kommen. Entscheidend ist dann, was wir konkret in der Kirche machen – um nur zwei Beispiele zu nennen – die Frage der digitalen Resilienz, und zweitens die Fortentwicklung einer Friedensbildung. Ich glaube, dass wir die komplexen Konfliktlagen angehen müssen.
