Freundin der Schimpansen

„Ape Lady“, Affenlady, wird Jane Goodall auch genannt. Und sie macht diesem Namen alle Ehre: Die Britin ist die wohl berühmteste Primatenforscherin der Welt, hat das Verhalten von Schimpansen in Ostafrika erforscht und setzt sich für deren Überleben ein. Am 3. April wird sie 90 Jahre alt, sie kam 1934 in London zur Welt.

Im Gombe-Stream Nationalpark im Westen Tansanias, wo sie eine Forschungsstation aufbaute, leben noch immer rund 95 Tiere auf rund 35 Quadratkilometern. „Tansania hat insgesamt etwa 2.500 Schimpansen, die alle im Westen des Landes leben“, schätzt Magnus Mosha, Projektleiter der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt im größeren Mahale-Mountains-Nationalpark am Ostufer des Tanganjikasees.

Nördlich davon, nahe der Grenze zu Burundi, hatte 1960 die 26 Jahre junge Jane Goodall im Auftrag des britischen Paläoanthropologen Louis Leaky mit der Beobachtung frei lebender Schimpansen begonnen – ohne Biologiestudium. Sie hatte den renommierten Wissenschaftler als Direktor des Kenya National Museums kennengelernt, wo die Absolventin einer höheren Handelsschule drei Jahre zuvor als Sekretärin angestellt worden war.

Ihre erste frustrierte Studiennotiz von der Beobachtung eines Affen: „Er lief davon, als wir auf gleicher Höhe mit ihm waren, und wir sahen ihn nicht wieder.“ Aber schon bald wirbelte Goodall die akademische Verhaltensforschung durcheinander. Sie beobachtete die Schimpansen offen, versteckte sich nicht vor ihnen, und nahm Kontakt mit ihnen auf. „Teilnehmende Beobachtung“ heißt ihre Methode. Und sie gab „ihren“ Affen Namen. Das war damals unerhört, zumal bei den angelsächsischen Forschern, die ihre Beobachtungsobjekte um der Objektivität willen nummerierten.

„David Greybeard“, ein betagter Schimpansenmann, legte die Scheu ab und gab ein Signal des Vertrauens. Ihm hat die Forscherin drei bahnbrechende Beobachtungen zu verdanken: Schimpansen sind keine Vegetarier, sondern essen Fleisch; sie benutzen Werkzeuge, indem sie mit Pflanzenstängeln in Termitenhügeln stochern; sie stellen Werkzeuge her, indem sie die Blätter von den Stängeln streifen. Bis dahin hatte allein der Mensch als Werkzeugmacher gegolten.

„Jetzt müssen wir entweder das Werkzeug umdefinieren oder den Menschen“, erklärte Leaky. Allerdings beobachtete Goodall 1974 auch, dass Schimpansen noch etwas mit Homo sapiens gemeinsam haben: Kannibalismus und Aggressionen bis hin zum Ausrottungskrieg gegenüber Nachbarpopulationen. Das dämpfte ihre Liebe zu „Fifi“, „Floh“, „Gremlin“ und Co.

Bevor sie 1971 ihre frühen Forschungen unter dem Titel „In the Shadow of Man“ („Wilde Schimpansen“) publizierte, hatte sie geheiratet, war Mutter eines Sohnes geworden und hatte – ohne Hochschulreife und mit Ausnahmegenehmigung – an der University of Cambridge ihren Doktor der Ethologie (Verhaltensforschung) gemacht. Ihr niederländischer Ehemann Hugo von Lawick drehte den Film „Miss Goodall and the Wild Chimpanzees“.

Nach der Scheidung von Lawick und der Heirat mit dem Direktor der tansanischen Nationalparks, Derek Bryceson, konnte sie ihr Beobachtungsgebiet Gombe, seit 1968 ebenfalls Nationalpark, sichern und eine Forschungsstation aufbauen.

„Ihre“ Schimpansen kämpften mit diversen Epidemien, etwa Polio und Atemwegserkrankungen, an denen auch „David Greybeard“ starb. Schlimmer noch wütete das SI-Virus („Schimpansen-Aids“) unter der vergleichsweise kleinen Population. „Bisher haben sie überlebt“, sagt Mosha. Aber er weiß: „Ihre Zukunft ist unsicher, wegen der Inzucht. Es gibt zu wenig Gen-Austausch mit Schimpansen in anderen Gebieten; deshalb wissen wir nicht, wie lange sie überleben werden.“

Nach dem Tod ihres Mannes 1980 wurde Goodall mehr und mehr zur hauptberuflichen Naturschützerin, seit 2002 ist sie auch als UN-Friedensbotschafterin unterwegs. Schon 1977 hatte sie das Naturschutzinstitut „Jane Goodall Institute for Wildlife Research, Education and Conservation“ gegründet.

In ihrem Buch „Ein Herz für Schimpansen“ plädiert sie für einen besseren, einen ethischeren Umgang mit den Tieren. Mit Ihrem Great Ape Project setzt sie sich für Rechte der Menschenaffen ein. 2008 forderte sie einen Nobelpreis für alternative Methoden zu Tierversuchen, vor drei Jahren die Abschaffung der Käfighaltung bei Nutztieren in der EU.

Goodall, die auch Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina ist, gründete mit Kindern in Tansania die Aktion „Roots & Shoots“ („Wurzeln und Sprösslinge“) für Projekte der jüngsten Naturschützer. „In Deutschland stecken wir noch in den Anfängen und haben momentan sieben sehr aktive Gruppen. Weltweit gibt es in über 60 Ländern mehr als 12.000 ,Roots & Shoots‘-Gruppen“, sagt Yasmin Saruji, Geschäftsführerin des Jane Goodall Instituts.

Jane Goodall sei auch mit 90 Jahren noch aktiv, berichtet sie: „Jane Goodall geht es gut, und sie wird auch in diesem Jahr viel unterwegs sein, um ihre Mission und Vision in die Welt zu tragen.“ Ihr ständiger Begleiter, ein Plüschaffe namens „Mr H.“, ist immer dabei.