Freie und offene Diskussion erwünscht

UK 51/2017, Vaterunser (Seite 2: „Wie ist das mit der Versuchung?“)
Leider wird in Ihrem Artikel nicht die Frage angesprochen, was Jesus wirklich gesagt hat.
Übersetzt man die Bitte „führe uns nicht in Versuchung“ aus dem Griechischen zurück in das Aramäische und dann neu ins Griechische, ist neben der Formulierung „Und führe uns nicht in Versuchung“ auch die Formulierung der französischen Bischöfe möglich: „Lass uns nicht in Versuchung geraten“.
Vermutlich entspricht diese Formulierung eher dem, was Jesus wirklich gemeint hat.
– Dass nicht Gott, sondern der Teufel versucht – darauf hat Franziskus schon hingewiesen.
– Jakobus schreibt im 1. Kapitel Vers 13: „Niemand sage, wenn er versucht wird, dass er von Gott versucht werde. Denn Gott kann nicht versucht werden und er selbst versucht niemand.“
– Und Luther hat im kleinen Katechismus geschrieben: „Gott versucht zwar niemand. Aber wir bitten in diesem Gebet, dass uns Gott behüte und erhalte, damit uns der Teufel, die Welt und unser Fleisch nicht betrüge und verführe in Missglauben, Verzweiflung, und anderer großen Schande und Laster. Und wenn wir damit angefochten werden, dass wir doch endlich gewinnen und den Sieg behalten.“
Mit dieser Erläuterung hat Luther die Alternative zur bisherigen Übersetzung bereits vorweggenommen. Hätten Luther und Franziskus gleichzeitig gelebt, wären sie sich sicher einig gewesen.
Man mag der französischen Fassung vorwerfen, dass sie zu holperig klingt. Wenn man, wie oben beschrieben, diese Bitte aus dem Griechischen rück- ins Aramäische und dann erneut ins Griechische und weiter ins Deutsche übersetzt, könnte es vielleicht auch heißen:
– „Bewahre uns vor der Versuchung“
– (oder vielleicht) „Bewahre uns in der Versuchung“.
In diesem Fall könnte man auch das Wort „sondern“ aus der folgenden Bitte des Vaterunsers herausnehmen und anschließend könnte alles wieder ähnlich flüssig klingen wie bisher.
Wie soll es weitergehen? Bestimmt nicht mit Schnellschüssen von Repräsentanten der beiden Kirchen. Ich wünsche mir eine freie und offene Diskussion über das Thema. Und am Ende könnte ein ähnlicher Konsens stehen, so wie die beiden Kirchen ihn schon mit der bisherigen Fassung des Vaterunsers gefunden hatten.
Hartmut Piater, Bielefeld