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Frauenrechtler: Mehr “Ehrenmord”-Drohungen in Deutschland

Experten schlagen Alarm: Die Zahl der Frauen, die in Angst vor Zwangsheirat oder Tötung durch die eigene Familie leben, steige. Und für Betroffene gebe es zu wenige Schutzplätze.

Mehr durch Zwangsheirat oder sogenannte Ehrenmorde bedrohte Frauen hat die Frauenrechtsorganisation Solwodi für das Jahr 2024 verzeichnet. “120 Frauen waren von Ehrenmord bedroht und bei mehr als 300 Personen war eine Zwangsverheiratung angedroht oder bereits erfolgt”, teilten die Frauenrechtler am Dienstag in Koblenz mit. Ob die Zahl der bedrohten Frauen tatsächlich steige oder mehr Betroffene Unterstützung suchten, sei nicht bekannt.

Im Jahr 2023 hatten sich 138 Mädchen und Frauen wegen drohender Zwangsverheiratung an Solwodi gewandt; außerdem 113 wegen einer erfolgten Zwangsheirat und 117 Frauen wegen einer Morddrohung im Namen einer angeblichen “Familienehre”.

Der verharmlosende Begriff Ehrenmord bezeichnet eine vorsätzliche Tötung einer Person durch Familienmitglieder. Das Opfer soll dabei die Familie durch eine vermeintlich inakzeptable Handlung – etwa einen als westlich wahrgenommenen Lebensstil – gedemütigt haben. Kritiker lehnen den Begriff Ehrenmord ab, weil er ein Fehlverhalten des Opfers suggeriere und dadurch eine Täter-Opfer-Umkehr erfolge.

Eine Zwangsverheiratung liegt vor, wenn mindestens eine Person durch Androhung oder Ausübung von körperlicher, seelischer oder emotionaler Gewalt zum Eingehen der Ehe gezwungen wird. Meist sind Mädchen oder junge Frauen betroffen. In Deutschland ist Zwangsheirat ein Straftatbestand und wird mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft.

Insgesamt haben sich im vergangenen Jahr laut Mitteilung 2.589 Frauen aus 116 Ländern an Solwodi Deutschland gewandt, um Unterstützung vor Gewalt und in Notsituationen zu erhalten. Das seien mehr als zwölf Prozent mehr als im Jahr 2023. Solwodi unterstützt Frauen und Kinder, die Opfer von Menschenhandel, Prostitution, Zwangsheirat oder häuslicher Gewalt geworden sind.

Laut Solwodie ist die Unterbringung betroffener Frauen und ihrer Kinder oft schwierig, weil es zu wenige Schutzplätze für sie gebe – und die Finanzierung nicht ausreiche. “Das in der abgelaufenen Legislaturperiode verabschiedete Gewalthilfegesetz, das allen Frauen ein Recht auf einen Schutzplatz zuspricht, ist ein wichtiger Schritt. Jetzt kommt es auf eine schnelle und umfassende Umsetzung durch die Länder an”, sagte die Solwodi-Vorsitzende, Maria Decker.

Die internationale tätige Frauenrechtsorganisation mit Sitz in Koblenz wurde 1985 von der katholischen Ordensschwester und Frauenrechtlerin Lea Ackermann (1937-2023) gegründet. Solwodi steht für Solidarity with Women in Distress – Solidarität mit Frauen in Not.