Fotogedichte werden in Würzburg erforscht

Kästner, Brecht oder Ringelnatz – sie alle schrieben Gedichte. Bisweilen waren diese in Illustrierten bewusst mit einem Bild abgedruckt. Die eher unbekannte Gattung “Fotogedichte” soll nun erforscht werden.

Fotogedichte in illustrierten Zeitungen, Zeitschriften und Magazinen waren zwischen 1895 und 1945 eine beliebte Literaturgattung. Die Forschung hat dieses Genre bisher jedoch eher vernachlässigt. Dies soll nun anders werden, wie die Pressestelle der Julius-Maximilians-Universität am Dienstag in Würzburg mitteilte. Die Literaturwissenschaftlerin Stephanie Catani erhält von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) fast 500.000 Euro.

Ab Sommer 2024 soll ein Projekt an Catanis Lehrstuhl in Zusammenarbeit mit dem gleichfalls an der Hochschule angesiedelten Zentrum für Philologie und Digitalität diese Gattung drei Jahre lang erforschen.

Ein Beispiel für ein solches Fotogedicht ist der “Song auf Tante Berthas gutes Sofa” von Erich Kästner. Er veröffentlichte dieses im April 1933 in der Berliner Illustrierten “UHU”. Ein Schwarz-Weiß-Foto zeigt ein ausrangiertes, vor sich hin rottendes Sofa in einem Waldstück: “Ein Sofa steht im Walde, ganz still und stumm”, heißt es dazu. Kästner beschreibt, wie das Sitzmöbel unter dem Wetter leidet und sein früheres Heim vermisst: “Es hustet vor sich hin und stöhnt. Es ist das Klima nicht gewöhnt.” Und am Ende: “Ein Sofa steht im Walde und sehnt sich heim. Ein Sofa geht im Walde allmählich aus dem Leim.”

In der Blütezeit der Gattung veröffentlichten der Mitteilung zufolge weitere prominente Schriftstellerinnen und Schriftsteller regelmäßig Fotogedichte in Illustrierten: Bertolt Brecht, Vicki Baum, Hermann Hesse, Klabund, Joachim Ringelnatz und Kurt Tucholsky. Aber auch unbekanntere Autoren wie Max Kolpe, Joe Lederer, Charlie K. Roellinghoff, Edith Hamann oder Robert Harrer gehörten dazu. Ihnen allen gebührt nach Ansicht der Würzburger Forschenden eine “literaturhistorische Rehabilitierung”.

Das DFG-Projekt hat den Angaben zufolge das Ziel, die in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts veröffentlichten Fotogedichte möglichst vollständig in einer Datenbank zu erfassen. Schon jetzt seien mehr als 3.000 registriert.

Kooperationspartner bei dem Vorhaben seien die Deutsche Nationalbibliothek Leipzig, die Sächsische Landesbibliothek – Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, die Bayerische Staatsbibliothek München, die Universitätsbibliothek Heidelberg sowie die Österreichische Nationalbibliothek in Wien und die Bibliothek der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich.