Forscherin: Japanische Babys weinen komplexer als deutsche

Französische Säuglinge haben einen Akzent, solche aus Kamerun geben einen Singsang von sich – diese Erkenntnisse hat die Biologin Kathleen Wermke gewonnen. Nun richtet die Wissenschaftlerin einen Appell an Erwachsene.

Kulturelle Unterschiede machen sich schon in den ersten Lauten von Babys bemerkbar. Das hat die Verhaltensbiologin Kathleen Wermke herausgefunden, wie das Universitätsklinikum Würzburg (UKW) am Donnerstag mitteilte. Demnach weinen französische Babys „tatsächlich mit Akzent“: Ihre Melodiekontur verlaufe von tief nach hoch, während Babys deutschsprachiger Mütter mit fallender Melodiekontur, also von hoch nach tief, weinten. „Wermkes Analysen zeigen auch, dass japanische und schwedische Neugeborene im Vergleich zu deutschen Babys deutlich komplexer weinen.“ – Wermke leitet das UKW-Zentrum für vorsprachliche Entwicklung und Entwicklungsstörungen.

Weiter hieß es: „Da die Variationen in der Melodiekontur nicht durch Unterschiede in der Anatomie des Kehlkopfes oder der Physiologie der Stimmproduktion erklärt werden können, scheint die Prosodie, wie die Sprachmelodie in der Fachsprache genannt wird, in der Umgebungssprache zu liegen.“

Besonders gestützt werde diese Annahme durch Sprachen, in denen unterschiedliche Tonhöhen die Bedeutung der Wörter bestimmten. „In der Lamnso-Sprache der Nso, einem ländlichen Volk im Nordwesten Kameruns, gibt es sogar acht Tonhöhen plus spezifische Tonhöhenverläufe. Das Weinen der Nso-Babys gleicht eher einem Singsang.“ Der Abstand zwischen dem tiefsten und dem höchsten Ton sei bei ihnen deutlich größer als bei Neugeborenen deutschsprachiger Mütter, auch das kurzzeitige Auf und Ab der Töne während einer Lautäußerung sei intensiver.

Wermke schließt daraus, dass bereits vor der Geburt, im letzten Schwangerschaftsdrittel, eine Prägung durch die Sprechmelodie der Mutter stattfindet, wie es hieß. „Kaum auf der Welt, ahmen die Kinder diese Melodiemuster nach, indem sie durch Schreien und Gurren ihre Emotionen und Bedürfnisse ausdrücken. Auf diese Weise bauen sie eine natürliche Bindung zur Mutter und zur Gemeinschaft auf.“

Die Forscherin hat über ihre Erkenntnisse nun ein Buch veröffentlicht („Babygesänge. Wie aus Weinen Sprache wird“). Damit will sie nach eigener Auskunft Erwachsene dazu animieren, Babys einfach mal zuzuhören. Denn gerade in Deutschland habe das Schreien und Weinen von Babys oft keine Akzeptanz. „Akzeptiert, dass diese Gefühlssprache der Weg zur Sprache ist! Babys verdienen Respekt und wertschätzendes Verständnis ihrer stimmlichen Botschaften.“