Migräne, Rheuma oder Rückenschmerzen: Wenn Schmerzen chronisch werden, belastet das wohl jeden Menschen. Die Forschung sucht nach Wegen, um besser damit leben zu können – und wirbt für ein simples Werkzeug.
“Jetzt reiß dich mal zusammen” oder “Heute wieder nichts geschafft”: Solche Bemerkungen ziehen Menschen mit chronischen Schmerzen oft zusätzlich herunter. Nicht selten sagten sich Betroffene so etwas selbst, sagte der Psychiater Thomas Dresler am Montag. Dresler äußerte sich vor dem Deutschen Schmerzkongress, der am 22. Oktober in Mannheim beginnt und dem er gemeinsam mit der Oberärztin Heike Rittner vorsteht.
Die Behandlung von chronischen Schmerzen müsse stets auf mehreren Wegen erfolgen, fügte der Mediziner hinzu. Selbstgefühl könne ein wichtiger Baustein dafür sein und den Fokus verschieben: Statt um den Schmerz zu kreisen, sei das Ziel, ihn als einen Aspekt des gesamten Lebens zu begreifen.
Das sei nicht mit Selbstmitleid zu verwechseln, betonte Dresler. Wer in Selbstmitleid versinke, erlebe das eigene Schicksal als ungerecht und sei oft überzeugt, dass andere nicht derartig litten. Dagegen gehöre zum Selbstmitgefühl neben einem freundlichen Umgang mit sich selbst sowie Achtsamkeit auch eine menschliche Verbundenheit: “Die Erfahrung, dass andere Menschen ähnliche Erfahrungen machen, kann entlasten und Gefühle der Isolation reduzieren.”
Insofern sei eine Portion Selbstmitgefühl immer sinnvoll, nicht nur in der Behandlung von chronischen Erkrankungen, sagte der Experte. In Therapien gelte es zu prüfen, welche Betroffenen besonders davon profitieren könnten. Besonders belastend sei für viele Schmerzpatientinnen und -patienten, dass ihr Leid meist unsichtbar sei. Dresler verwies auf Umfragen, denen zufolge 80 Prozent der Befragten zumeist mehr Mitgefühl mit anderen empfinden als mit sich selbst.
Im neuen Deutschen Kopfschmerz-Fragebogen werden laut Dresler erstmals auch subjektive Faktoren erfasst – über Fragen wie: “Wie oft waren Sie aufgrund von Kopfschmerzen gereizt oder hatten alles satt?” oder “Wie oft waren Ihr Familienleben oder soziale Kontakte eingeschränkt?”. Sogenannte harte Marker wie die Anzahl der Kopfschmerz-Tage oder der Fehltage bei der Arbeit seien allein nicht ausreichend. Wenn jemand sich etwa durch Bürotage hindurchquäle, sei dies keineswegs ein Zeichen für geringe Belastung. Der Mediziner forderte ein Umdenken in der Arbeitswelt, denn Stress und Existenzängste könnten beispielsweise Migräne-Attacken befördern.