Forscher: Reform des Europäischen Asylsystems untergräbt Schutzrechte

Die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems droht einem neuen Bericht zufolge den Schutz von Asylsuchenden zu untergraben. Die Herausgeber des „Reports Globale Flucht 2024“ warnten am Montag in Berlin vor einer mit der Reform einhergehenden Gefährdung des Kindeswohls und mangelnden Rechtsgarantien in Grenzverfahren. Überdies würde eine Ausweitung der Zahl als sicher eingestufter Drittstaaten das Prinzip aushöhlen, nach dem Menschen nicht in Länder abgeschoben werden dürfen, in denen ihnen schwere Menschenrechtsverletzungen drohen.

Der Migrationsforscher Franck Düvell von der Universität Osnabrück sagte bei der Vorstellung des Berichts, der weitere Ausbau der Grenzsicherung und die Einrichtung von riesigen Aufnahmelagern an EU-Grenzen würden Fluchtbewegungen nach Europa nicht verhindern. Flüchtende würden dadurch lediglich auf längere und gefährlichere Wege gelenkt. Dabei würde der Tod von Flüchtlingen „fahrlässig in Kauf genommen“.

Die angestrebte Erhöhung der Zahl der Rückführungen von Migranten in ihre Herkunftsländer sei weder sinnvoll noch nachhaltig und durchsetzbar, so der Bericht. Europa benötige dringend Arbeits- und Fachkräfte, dennoch würden abgelehnte Asylsuchende abgeschoben, auch wenn sie arbeiten oder sich in Ausbildung befinden. Rückführungen verstärkten überdies die Armut in den Herkunftsländern.

Migrationsabkommen mit autoritären Staaten unterlaufen dem Bericht zufolge dortige Demokratisierungsprozesse. Zudem begebe sich Europa mit entsprechenden Abkommen in eine Abhängigkeit von Despoten.

Vor diesem Hintergrund fordern die Urheber des Berichts eine Rückbesinnung auf die menschen- und flüchtlingsrechtlichen Standards, die der Reform des Europäischen Asylsystems zugrunde liegen. Die Migrationsforscherin der Universität Erlangen-Nürnberg, Petra Bendel, kritisierte, gegenüber dem berechtigten Anspruch auf Kontrolle der eigenen Grenzen werde das Ziel der Schutzgewährung vernachlässigt.

Benjamin Etzold vom Bonn International Centre for Conflict Studies beklagte, es gebe in Europa keine legalen Zugangsmöglichkeiten für Schutzsuchende. Möglichkeiten eines legalen Zugangs seien ein Schlüssel, um die teils chaotischen Verhältnisse an EU-Außengrenzen zu verbessern. Nötig seien neue Lösungen nach dem Grundsatz der globalen Verantwortungsteilung.

Die Migrationsforscherinnen und -forscher kritisierten überdies Pläne für eine Auslagerung von Asylverfahren in andere Länder. Düvell sagte, es sei nicht klar, ob das zwischen Italien und Albanien vereinbarte Modell vor Gerichten Bestand haben werde. Überdies seien zahlreiche Fragen offen, etwa, welcher der beiden Staaten für abgelehnte Asylbewerber zuständig sei.

Der „Report Globale Flucht 2024“ ist von Mittwoch an im Buchhandel erhältlich. Er wird im Rahmen des Projekts „Flucht- und Flüchtlingserfahrung: Vernetzung und Transfer“ erstellt. Dieses wird unter anderem vom Institut für Migrationsforschung und Interkulturelle Studien der Universität Osnabrück, vom Bonn International Centre for Conflict Studies und vom Centrer for Human Rights Erlangen-Nürnberg durchgeführt.