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Forscher: Anwerbung von Pflegekräften aus dem Ausland genügt nicht

Anwerbeprogramme für ausländische Pflegekräfte reichen einer wissenschaftlichen Studie zufolge nicht aus, um den Pflegenotstand in Deutschland zu lösen. Sie verschöben die Schieflage lediglich, sagte der Arbeitssoziologe Thomas Stieber vom Soziologischen Forschungsinstitut am Donnerstag in Göttingen. Stieber hatte sich für seine Doktorarbeit „Muster migrantischer Arbeit“ mit Fragen zum Fachkräftemangel, problematischen Arbeitsbedingungen und sozialer Ausgrenzung beschäftigt. Er untersuchte diese Faktoren seit 2018 am Beispiel einer Großklinik.

Wie fast alle deutschen Krankenhäuser sei die untersuchte Klinik massiv von den Auswirkungen einer zunehmenden Ökonomisierung und Marktlogik mit dem System von Fallpauschalen geprägt, hieß es. Dies habe dazu geführt, dass Pflegekräfte massenhaft abwanderten und sich die Arbeit der verbliebenen Beschäftigten entsprechend verdichte. Arbeit, die nicht direkt am Patienten stattfinde wie die von Reinigungskräften, werde herabgesetzt. Dies führe zu sozialen Spannungen und Konflikten.

Eine wirkliche Lösung der so entstandenen Schieflagen sieht Stieber nur in einer vollumfänglichen Abkehr von der Logik der Ökonomisierung. Immer neue Anwerbeprogramme lösten das Problem nicht im Grundsatz.

Für seine Analyse hatte Stieber die Arbeit von verschiedenen Gruppen in dem Krankenhaus beleuchtet, darunter Geflüchtete, die seit dem Jahr 2015 in Deutschland lebten, sowie angeworbene Pflegefachkräfte von den Philippinen. Dazu führte er mehr als 50 mehrstündige Interviews und arbeitete auch selbst im Bereich der Reinigung und Pflege mit. Die Arbeit erhielt eine Auszeichnung von der Deutschen Gesellschaft für Soziologie und von der Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Göttingen.