Firma mit Millionengewinn

Dass sie mal mit Puppen erfolgreich werden würde, hätte Käthe Kruse als Kind nicht gedacht – damals mochte sie die nämlich gar nicht. Vor 50 Jahren starb die weltbekannte Puppenmacherin

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Puppen sieht man am Grab von Käthe Kruse keine – nur das, was aus ihnen schlüpft, zumindest in einem Bienenstock: Dutzende Insekten summen über der Ruhestätte auf dem Friedhof in Schäftlarn-Zell bei München. Die dort beerdigte Puppenmacherin gilt als eine der bekanntesten der Welt. Sie starb vor 50 Jahren, am 19. Juli 1968. Dass sie ausgerechnet mit Spielfiguren erfolgreich wurde, ist eine Ironie der Geschichte.
Denn als Kind war Kruse von Puppen alles anderes als begeistert. „Für Puppen konnte Käthe keine Liebe empfinden, nicht einmal für Perdita, die sie zu ihrem 8. Geburtstag als Geschenk bekam. Sie selbst beschrieb den taillierten Lederbalg mit den schlenkrigen Beinen und dem starren Puppengesicht als ‚greulich‘“, heißt es im Käthe-Kruse-Museum im bayerischen Donauwörth. Dort sitzt auch das Unternehmen Käthe Kruse. Die Gründerin stammte ursprünglich aus Niederschlesien.
Geboren wurde sie am 17. September 1883 in Dambrau bei Breslau als Katharina Johanna Gertrud Simon. Zwar wuchs das Käthe genannte Mädchen als uneheliches Kind in ärmlichen Verhältnissen auf. Doch sie schaffte den Sprung ins Bildungsbürgertum. Mit 16 sprach sie beim Breslauer Stadttheater vor, wurde ans Berliner Lessing-Theater vermittelt und dort rasch bekannt – auch mit anderen Berühmtheiten des damaligen Kulturbetriebs. Zum Bei-spiel mit Max Kruse, einem fast 30 Jahre älteren Bildhauer.
Erst 1909 heirateten die beiden. Aber schon sieben Jahre zuvor war Kruse – damals noch Fräulein Simon – erstmals Mutter geworden. Acht Kinder brachte Kruse zwischen 1902 und 1921 zur Welt, ein Sohn starb bei der Geburt. Maria, die älteste Tochter, brachte Kruse dazu, ihre einstige Puppen-Aversion zu überwinden.
Denn Maria wünschte sich einen Spielkameraden. Kruse – seinerzeit auf Reisen – schickte ihrem Mann einen Kaufauftrag nach Berlin. Dieser antwortete: „Ick koof euch keene Puppen. Ick find se scheißlich. Macht euch selber welche.“ So machte sich die Mutter ans Werk und fertigte 1905 ihre erste Puppe. Sie nahm ein Handtuch, füllte es in der Mitte mit warmem Sand und machte an den Ecken Knoten für Arme und Beine. Für den Kopf umwickelte sie eine Kartoffel.
Kruse fand Gefallen an dieser Handarbeit und professionalisierte sie. 1911 gründete sie eine nach ihr benannte Manufaktur in Berlin. Motto: „Die Hand geht dem Herzen nach. Nur die Hand kann erzeugen, was durch die Hand wieder zum Herzen geht.“ Schon ein Jahr später gab es Großbestellungen aus Amerika, Kruse baute extra eine Werkstatt im heute sachsen-anhaltinischen Bad Kösen auf.
Doch es gab auch schwere Zeiten für die Unternehmerin. 1942 starb ihr Mann, 1950 wurde ihr Kösener Betrieb von der DDR enteignet. Kruse zog nach Donauwörth, wo zwei ihrer Söhne schon 1945 eine neue Werkstatt gegründet hatten. Einer davon wurde später selbst berühmt: Max Kruse (1921-2015), der den Kinderbuch-Klassiker „Urmel aus dem Eis“ schrieb.
Nach Donauwörth verlagerte Käthe Kruse auch den Hauptsitz ihrer Manufaktur. 1956 erhielt sie das Bundesverdienstkreuz Erster Klasse. 1968 starb sie schließlich mit 84 Jahren in Murnau am Staffelsee. Begraben wurde sie in Schäftlarn-Zell, neben ihrem Enkel Stefan, der drei Monate vorher tödlich verunglückt war und dessen Familie dort lebte.