Die Thesentür im Rückspiegel geht es immer geradeaus. Vorbei an Gewerbeparks und Datschen fühlt es sich schon bald nicht mehr wie Wittenberg an. Spätestens auf dem umzäunten Gelände mit der staubigen Zufahrt sind die Türme von Schloss- und Stadtkirche endgültig von Bäumen verdeckt, der Altersdurchschnitt sinkt um ein bis zwei Generationen. Willkommen im KonfiCamp – dem Lern- und Freizeitabenteuer für evangelische Jugendliche in Vorbereitung auf ihre Konfirmation.
Am Nordrand der Lutherstadt ist eine Stadt aus Zelten entstanden. Sie ist so XXL, dass die einzelnen Viertel Ortsnamen der Reformationsgeschichte tragen: Bergen, Debrecen, Venedig und 13 weitere. 160 Zelte sind es insgesamt, darunter 132 zum Schlafen und für Gruppenarbeiten, vier Essenszentren, vier Kirchen mit Platz für bis zu 350 Menschen und ein Riesenzelt für Großveranstaltungen.
Bis zu 12 000 Jugendliche aus der ganzen Republik ziehen hier über den Sommer gestaffelt mittwochs ein und sonntags aus. Unter dem Titel „Trust and Try“ lernen sie mit Teamern und Pfarrern aus ihren Gemeinden, was es heißt, aufeinander zu vertrauen und Neues auszuprobieren – vom erlebnispädagogischen Hochseilklettern bis zum innovativen Konfirmandenunterricht.
Gleich beim ersten Durchgang waren 20 Konfirmanden aus Bielefeld-Brackwede mit dabei. „Es war noch nicht alles fertig, aber es hat dennoch viel Spaß gemacht“, sagt Pfarrer Ingo Stucke und lobt besonders den engagierten Einsatz der Hauptamtlichen und Freiwilligen: „Das pädagogische Konzept ist aufgegangen, Fragen aus der heutigen Lebenswelt der Konfis mit den Grundanliegen Luthers zu verbinden.“
„Das Spiel ‚Luther-Verschwörung‘ war das beste“, so einige der Brackweder Jungs und Mädchen, „und auch der Ausflug zur Weltausstellung in die Wittenberger Innenstadt“. Abends kommen die einzelne Gruppe für sich zusammen. Bei der Brackweder Gruppe griff CVJM-Sekretär Uwe Berberich zur Gitarre, es wurde gesungen und gebetet. Bei den vielen Eindrücken kam es sogar vor, dass einige der Konfis noch nicht mal merken, dass sie den ganzen Tag ohne Handy ausgekommen sind.
„Schade, dass es nur ein einmaliges Angebot zum Reformationsjubiläum ist“, lautet das Fazit von Pfarrer Stucke, „die Mischung aus großem Angebot und Zusammensein in der eigenen Gruppe war optimal. Da hat die EKD wirklich etwas Gutes auf die Beine gestellt.“
Genau diese Mischung mache das KonfiCamp aus, sagt Matthias Hempel, Beauftragter für die Konfirmandenzeit in der Oldenburger Kirche und schon zum zweiten Mal dabei. Konzentration und Spaß, was zum Knobeln und was für die Kreativität. Zum Konfi-Unterricht von heute gehören Hempels Überzeugung nach immer mehr Lieder und Beispiele aus dem Alltag der Jugendlichen. Nötig sind auch Teamleiter, die noch näher an der Lebensrealität der Konfis dran sind, vielleicht sogar eine Vorbildfunktion erfüllen. „Wenn die Jugendlichen verstehen, was es mit ihrem Leben zu tun hat, sind sie auch offen für Glaubensthemen“, so Pfarrer Hempel.
Die Morgenandacht im Großzelt zeigt, was Hempel meint: Vor der Bühne sitzen um die 1000 Konfirmanden, auf der Bühne stehen die etwa fünf Jahre älteren Moderatoren. Später kann man ihnen auf Snapchat und Instagram folgen, aber erst mal wird zusammen aufgewacht. Die Musiker stimmen „Fix you“ an, einen Song der vier Briten von Coldplay, die seit Geburt der meisten Konfirmanden bereits in den Charts, aber trotzdem noch cool sind. Die Ballade handelt vom Scheitern und von Einsamkeit, vom Verlieben, Verlieren und Vergeben. „Das Camp hier zeigt Wege, religiöse Themen mal nicht von der Bibelstelle her anzupacken“, sagt Hempel. „Mit Ressourcen, die den meisten kleinen Gemeinden bei sich zuhause gar nicht zur Verfügung stehen.“
Als nächstes läuft auf den Leinwänden rechts und links der Bühne ein Film über Pauline: Paulines Mutter macht Stress wegen der Schulnoten, Pauline wird unter dem Leistungsdruck ganz still. Cut! In spontan gebildeten Murmelgruppen sollen die Konfis überlegen, wie der Film weitergeht. Ein Mädchen rutscht gelangweilt auf der Bierbank herum, sagt: „Is‘ mir doch egal!“ Als sie bemerkt, dass sich die anderen ernsthaft am Gespräch beteiligen, scheint auch sie langsam Mut zu finden: „Ein bisschen kenne ich das auch von mir daheim.“
„Trust and Try“ ist nicht nur das Motto der Workshops und Unterhaltungsprogramme für die Konfis. Junge Leiter erkennen hier, ob sie ihre Gruppe im Griff haben, ältere erspüren körperliche Grenzen beim Schlafen auf dem Zeltboden. Pfarrer und Diakone aus 18 evangelischen Landeskirchen Deutschlands können testen, wie leicht es ihnen fällt, Ideen voneinander zu übernehmen. Ausprobieren und schauen, wie es wird, mussten aber auch die Veranstalter, bevor die ersten Gruppen eintrafen.
„Letzten Sommer hatten wir ein Treffen mit 180 Teamern“, erzählt Campleiter Tobias Bernhard. „Kein Vergleich zu den 1500 Menschen in der am besten besuchten Woche im Reformationssommer.“ Nach vier von elf Durchläufen zeigt sich der bayerische Diakon zufrieden: „Die Stimmung ist so was zwischen Konfirmandenunterricht, Kirche und einem riesigen geilen Jugendfestival!“
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Festivalstimmung beim Konfi-Unterricht
Auch der kirchliche Unterricht profitiert vom Luther-Jubiläum: Tausende Jugendliche zelten in diesen Wochen in Wittenberg, wo sie einen Konfi-Unterricht der ganz anderen Art erleben.

Jens Schlueter/epd