Faeser will Entsendung von Imamen aus der Türkei beenden

In deutschen Moscheen predigen nach wie vor großteils Imame aus dem Ausland. Innenministerin Faeser will das beenden – aus Gründen der Integration.

Am Fenster einer Moschee in Berlin-Neukölln betet ein Imam
Am Fenster einer Moschee in Berlin-Neukölln betet ein ImamImago / Emmanuele Contini

Berlin. Der Einfluss ausländischer Imame auf islamische Gemeinden in Deutschland soll nach Willen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) deutlich gemindert werden. „Ich will die staatliche Entsendung von Imamen aus dem Ausland nach Deutschland schrittweise reduzieren, mit dem Ziel, sie zu beenden“, sagte sie zum Auftakt der Deutschen Islamkonferenz in Berlin. Dies betreffe insbesondere die Türkei.

Faeser betonte, sie halte es für integrationspolitisch wichtig, dass mehr in Deutschland sozialisierte und in deutscher Sprache ausgebildete Imame in islamischen Gemeinden tätig würden. Weniger ausländische Abhängigkeiten oder Einflussnahme erleichterten es deutschen Muslimen, mit ihrem Glauben in Deutschland heimisch zu werden.

Wer an der Konferenz teilnimmt

Die Islamkonferenz wurde 2006 für den regelmäßigen Dialog zwischen Staat und Muslimen ins Leben gerufen. Rund 160 Vertreterinnen und Vertreter des muslimischen Lebens diskutierten am Mittwoch im Bundesinnenministerium mit Repräsentanten des Staates, der Kirchen, des jüdischen Lebens und der Wissenschaft.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser
Bundesinnenministerin Nancy FaeserImago / Photothek

Faesers Staatssekretärin im Innenministerium, Juliane Seifert, sagte, Imame sollten in der deutschen Gesellschaft verwurzelt sein und Brücken bauen können in den Sport oder in die Kultur. Dies sei ein wichtiger Punkt. Sie sei in der vergangenen Woche zu Gesprächen über dieses Thema in der Türkei gewesen. Es gehe nicht darum, die Entsendung von Imamen von einem Tag auf den anderen zu beenden, aber darum, gemeinsam einen verbindlichen Weg zu vereinbaren.

Auf Fortschritte bei der Ausbildung von religiösem Personal in Deutschland wies wiederum der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime, Eyüp Kalyon, hin. Kalyon, der auch Verantwortlicher im Bundesverband der Türkisch-Islamischen Union (Ditib) für das Imam-Ausbildungsprogramm ist, sprach von einem „Wandlungsprozess“. So habe Ditib in diesem Jahr 25 Absolventen des zweijährigen Ausbildungsprogramms gehabt, die in mehreren Bundesländern aktiv seien. Der neue Kurs habe 36 Teilnehmer.

Wissenschaftler kritisiert Struktur der Gemeinden

Er gab allerdings zu bedenken, dass die meisten Gemeinden definitiv nicht in der Lage seien, einen Imam zu bezahlen. Hintergrund dieser Debatte ist, dass beispielsweise die türkische Religionsbehörde Diyanet die nach Deutschland entsandten Imame bezahlt.

Der Islamwissenschaftler Mouhanad Khorchide kritisierte derweil, dass sich die Strukturen der muslimischen Gemeinden ethnisch weiterhin an den ursprünglichen Heimatländern orientierten. Man sei derzeit weit entfernt davon, dass etwa ein marokkanischer Imam in einer Ditib-Moschee predige. Der Direktor des Zentrums für islamische Theologie der Westfälischen-Wilhelms-Universität Münster sorgte mit der Frage für Gelächter im Saal, ob es vorstellbar sei, dass „meine Wenigkeit im Vorstand von Ditib sitzt“. Khorchide gehört zu den liberalen Vertretern des deutschen Islams.

Der deutsch-israelische Psychologe und Extremismus-Experten Ahmad Mansour äußerte indes grundsätzliche Kritik an der Islamkonferenz. Sie sei zu einer „elitären Veranstaltung geworden, die die meisten Muslime in Deutschland gar nicht kennen beziehungsweise interessiert“, schrieb er in einem von der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwoch) veröffentlichten Kommentar. Denn die Alltagsprobleme würden nicht angesprochen.

„Um Jahre zurückgeworfen“

„Die Realität, die manche so gerne ignorieren wollen, sieht so aus: Nach zwei Jahren Pandemie und kaum Begegnungen im Alltag sind viele Menschen in ihren Integrationsbemühungen um Jahre zurückgeworfen worden“, fügte er hinzu. „Sie haben sich, gezwungenermaßen, in Parallelgesellschaften organisiert, leiden unter katastrophalen Bildungszuständen.“ Zugleich gebe es auf Plattformen wie TikTok „salafistische Offensiven“, kurze Videos in deutscher Sprache, die Millionen Klicks generierten. (epd)