Artikel teilen:

Fachleute pochen auf anhaltende psychologische Hilfe im Ahrtal

In den Ruinen der Häuser stehend, ging es für viele im Ahrtal zunächst um den Wiederaufbau der eigenen Existenz. Jetzt brechen Wunden auf – deshalb braucht es weiterhin ein starkes psychologisches Angebot, so Fachleute.

Fachleute pochen fast vier Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal auf ein Angebote zur psychologischen Unterstützung. “Es kommen noch jede Woche Menschen, die dringend behandelt werden müssen”, sagt Katharina Scharping, Leiterin des Traumahilfezentrums im Ahrtal und Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie. Für viele sei belastend, dass sie tagtäglich mit jenen Orten konfrontiert würden, die das Trauma ausgelöst hätten. Das Traumazentrum sei deshalb rund um die Uhr beschäftigt.

Auch der Verein Help – Hilfe zur Selbsthilfe beobachtet eine anhaltende Nachfrage nach Therapie. Diese werde in den kommenden Jahren “absolut wichtig” bleiben, denn erst jetzt werde vielen Flutbetroffenen klar, dass sie traumatisiert seien und Hilfe bräuchten, sagte Dirk W. Pieck vom Verein dem SWR. Studien hätten gezeigt, dass bei dieser Katastrophe deutlich mehr Betroffene traumatisiert worden seien als bei vergleichbaren Unglücken. Auch Scharping spricht davon, dass erst jetzt Menschen erstmalig zur psychologischen Beratung ins Traumahilfezentrum kommen.

Die Zeit, die ohne Behandlung vergeht, trage aber dazu bei, dass es schlimmer werde, erklärte die Expertin. Hinzu komme bei manchen Ahrtal-Bewohnern ein Gefühl der Verbitterung, weil der Wiederaufbau nicht so laufe, wie man es sich wünsche.

Außerdem kritisierte die Medizinerin, dass zu wenig dafür getan wurde, um die Helfer in ihr “altes” Leben zurückzubegleiten. Immerhin habe es viele Menschen gegeben, die zur Unterstützung der Betroffenen eigens ins Ahrtal gezogen waren. Auch ein “Danke” vonseiten der Politik fehle bis heute, mahnte Scharping.

In der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 ließen 200 Liter Regen pro Quadratmeter die Ahr in wenigen Stunden auf das Zehnfache ihres üblichen Pegels anschwellen. 135 Menschen verloren ihr Leben, mehr als 17.000 ihre Häuser, Geschäfte und Existenzen.