Fachleute: Auch Gesunde sollten regelmäßig Nieren checken lassen
Nierenkrankheiten sind weltweit eine der häufigsten Todesursachen, Tendenz steigend. Zugleich wissen viele Betroffene nichts von ihrer Erkrankung. Fachleute fordern frühzeitige Screenings und politische Maßnahmen.
Auch wer sich gesund fühlt, sollte regelmäßig die eigenen Nierenwerte überprüfen lassen: Dazu raten Medizinerinnen und Mediziner. Bei bekannten Volkskrankheiten wie Diabetes gebe es ab 35 Jahren routinemäßige Check-Ups, sagte Julia Weinmann-Menke am Freitag in Berlin. Bei der Chronischen Nierenerkrankung sei dies noch nicht der Fall, kritisierte die Leiterin der Klinik für Nephrologie, Rheumatologie und Nierentransplantation an der Mainzer Uniklinik.
Dabei betreffe die Krankheit hierzulande über zehn Millionen Menschen. Nur ein Drittel der Betroffenen wisse jedoch davon, denn: “Zunächst spürt man diese Krankheit nicht.” Bemerkbar mache sie sich erst, wenn bereits schwere Schäden entstanden seien und Betroffene “kurz vor der Dialyse” stünden.
Weinmann-Menke sprach sich für Blut- und Urinuntersuchungen ab 45 Jahren oder bei Auffälligkeiten aus. Es handle sich um eine Kassenleistung, auf die jede und jeder den eigenen Hausarzt ansprechen könne. Risikogruppen – dazu zählten etwa Diabetiker sowie Patienten mit Bluthochdruck – sollten einmal im Jahr gescreent werden. Spezifische Symptome gebe es für die Chronische Nierenkrankheit im frühen Verlauf nicht; diffuse Anzeichen könnten Kopfschmerzen, starke Müdigkeit oder häufiger Juckreiz sein.
Bei der Erkrankung werde die Niere durchlässig und scheide beispielsweise wertvolles Protein aus. Das Organ entgiftet den Körper nicht nur durch Regulierung des Wasserhaushalts, sondern steuert auch den Säure-Basen-Haushalt des Körpers, die Blutdruckregulation und den Knochenstoffwechsel. Im frühen Stadium erkannt, lasse sich die Krankheit gut behandeln.
Die Expertin mahnte zudem, nur selten zu sogenannten NSAR-Schmerzmitteln zu greifen, die die Niere zusätzlich belasten. Dazu zählen rezeptfrei erhältliche Medikamente wie Ibuprofen, Paracetamol oder Diclofenac. “Wöchentlich oder gar drei Mal die Woche ist zu oft”, so Weinmann-Menke.
Die Medizinerin äußerte sich zur Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie, die noch bis Sonntag in Berlin stattfindet. Kongresspräsident Bernhard Banas sprach von einer “neuen Nephrologie”, also Nierenlehre. So wisse man inzwischen, dass Menschen nicht in jedem Lebensalter dieselbe Nierenfunktion haben müssten. Krankheiten würden inzwischen besser erkannt, zudem gebe es neue Therapieformen.
Positiv sei, dass es bei Nierenversagen für jeden Menschen hierzulande eine Behandlungsmöglichkeit durch Dialyse gebe. Allerdings bedeute dies bei weitem keine Heilung, mahnte Banas, der die Abteilung für Nephrologie und des Universitäre Transplantationszentrum an der Uniklinik Regensburg leitet. “Die beste Nierenersatztherapie ist die Nierentransplantation.” Dafür fehlten jedoch Spenderorgane: “Wir transplantieren im internationalen Vergleich zu wenig.”
Es gebe zudem großen Forschungsbedarf, betonte Banas. Die Fachgesellschaft strebt unter anderem an, ein bundesweites Zentrum für Nierengesundheit einzurichten.