Zum Welttag der Suizidprävention warnen Experten vor einer dramatischen Unterfinanzierung. Ohne klare politische Zusagen drohe Beratungsangeboten wie MANO das Ende – trotz hoher Nachfrage und dringendem Bedarf.
Der Suizidprävention droht eine Unterfinanzierung – davor warnen am Mittwoch das Nationale Suizidpräventionsprogramm und die Deutsche Akademie für Suizidprävention anlässlich der Haushaltsberatungen des Bundes und der Länder. “Die neue Bundesregierung will die Suizidprävention zwar weiter fördern, aber es gibt Signale, dass die Finanzierung auf einem extrem niedrigen Niveau ablaufen wird”, erklärte Reinhard Lindner, geschäftsführender Leiter des Nationalen Suizidpräventionsprogramms für Deutschland, während eines Pressegesprächs. “Wir brauchen in Deutschland ein viel deutlicheres Investment”, betonte er im Vorfeld des Welttags der Suizidprävention am 10. September.
Besonders wichtig sei die langfristige Finanzierung eines Hilfetelefons, das rund um die Uhr für suizidgefährdete Menschen und deren Angehörige erreichbar sei. Weiterhin müsse sichergestellt werden, dass die Arbeit des Nationalen Suizidpräventionsprogramms weiter finanziell gefördert werde. Außerdem brauche es eine flächendeckende finanzielle Unterstützung von Institutionen der niedrigschwelligen Suizidprävention in ganz Deutschland – die Hilfe etwa in der Direktberatung, per Telefon oder internetbasiert anböten.
Auch der Deutsche Ärztinnenbund forderte am Mittwoch einen flächendeckenden Ausbau von Gesprächsangeboten. Wichtig sei allerdings, dass sowohl Suizidprävention als auch Suizidassistenz “unter Einbezug von Gender-Aspekten” gestaltet werde. Denn während Suizide häufiger von älteren Männern allein ausgeführt würden, zeigten etwa Schweizer Daten zur Suizidassistenz nahezu eine Geschlechterparität. Eine prekäre finanzielle Lage oder Einsamkeit bei älteren Frauen kann dem Ärztinnenbund zufolge verstärkt zu Sterbewünschen führen, ohne dass eine frei verantwortliche Entscheidung vorliegt. “Wir setzen uns dafür ein, innerhalb der Ärzt:innenschaft offen über das frei verantwortete Sterben zu diskutieren”, erklärte Gabriele du Bois, Vorsitzende des Ethikausschusses.
Diana Kotte, Koordinatorin der Suchthilfe und Suchtprävention der Landeshauptstadt Dresden, berichtete während des Pressegesprächs von dem Online-Beratungsangebot MANO, das bis Anfang 2026 von der ARD-Fernsehlotterie finanziert wird. “Obwohl unsere 35 ehrenamtlichen Beraterinnen und Berater tun, was sie können, ist die Nachfrage deutlich höher als das, was wir derzeit anbieten können”, erklärte sie. Konkret bedeute das, dass die Berater in 90 Prozent der Zeit keine neuen Ratsuchenden mehr aufnehmen könnten. MANO würde seine Kapazitäten gerne ausbauen – allerdings fehlt dem Angebot eine Weiterfinanzierung. “Derzeit ist sogar fraglich, ob es MANO im kommenden Jahr überhaupt noch geben wird”, so Kotte, die von der Politik eine dauerhafte Finanzierung des Präventionsangebots fordert.
Vielen suizidgefährdeten Menschen fehlte nach wie vor die Möglichkeit, ihre Probleme und Belastungen anzusprechen, erklärte auch Barbara Schneider, co-geschäftsführende Leiterin des Nationalen Suizidpräventionsprogramms. “Bei Suizidalität ist niedrigschwellige Hilfe essenziell und sie muss zeitnah zur Verfügung stehen”, betonte Schneider. “Es muss ein Gespräch mit einer geschulten, informierten und einfühlsamen Person geben, mit der man über die nächsten Schritte der Hilfe nachdenken kann.”
Die Nationale Suizidpräventionsstrategie wurde im Mai vergangenen Jahres vorgestellt. Sie sieht unter anderem vor, bestehende Telefon- und Online-Beratungsangebote für Menschen in Krisensituationen auszubauen. Ein in der vergangenen Wahlperiode angeschobenes Suizidpräventionsgesetz soll laut Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD umgesetzt werden.