Für den Besuch eines typisch deutschen Weihnachtsmarktes muss man nicht in der Bundesrepublik bleiben. Es gibt sie weltweit – in England, Australien oder Japan. Ein Experte erklärt, warum sie dort so beliebt sind.
Glühwein und Bratwurst, gebrannte Mandeln und Schmuck für den Christbaum: Auf dem “Münchner Weihnachtsmarkt” finden sich die klassischen Zutaten des traditionellen deutschen Brauchtums. Doch die Rede ist hier nicht vom Markt in der bayerischen Landeshauptstadt – sondern vom Münchner Weihnachtsmarkt in Sapporo in Japan. Hoch im Norden des Landes findet seit 2002 jedes Jahr ein Markt nach Münchner Vorbild statt, damals ins Leben gerufen zum 30-jährigen Bestehen der Partnerschaft der beiden Städte. Dabei ist Sapporo nur eines von vielen Beispielen weltweit. Der deutsche Weihnachtsmarkt erweist sich als echter Exportschlager.
So richten auch in den USA zahlreiche Städte Märkte nach deutscher Inspiration aus. Einer davon ist der Christkindlmarket in Chicago, der dem weltbekannten Nürnberger Christkindlesmarkt nachempfunden ist. Seit Mitte der 1990er Jahre findet er jährlich statt, die Idee kam von der deutsch-amerikanischen Handelskammer, die die Beziehungen zwischen den beiden Ländern fördern wollte.
Authentizität scheint dabei Trumpf: Teil des Marktes in Chicago ist ein eigenes Christkind. Seit 2013 ist es jeweils Teil der Eröffnungszeremonie und hält einen Prolog, um die Besucher willkommen zu heißen. Diese Zeremonie ist äußerst beliebt – doch wieso gibt es diese scheinbare Sehnsucht nach authentisch deutschen Märkten?
“In einer Zeit vielschichtiger Ängste vor Klimawandel, Globalisierung, Armut und Krieg stehen Traditionen wieder höher im Kurs, regionale Welten einer Vergangenheit, die es so ja nie gegeben hat”, sagt der Regensburger Kulturwissenschaftler Gunther Hirschfelder auf Anfrage. “Da bieten sich die inszenierten Weihnachtsmärkte Deutschlands besonders an.”
Diese warten nach Hirschfelder mit winterlicher Symbolik, vielfältigen Dekorationen und vor allem mit einer breiten Palette an Spezialitäten auf. “Auch wenn die ausgedehnten Mahlzeiten und der massenhafte Konsum von besonders süßen oder fetten Speisen erst mit dem Massenkonsum der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bedeutend wurden.”
Der Ursprung der Weihnachtsmärkte stammt dabei aus den deutschsprachigen Regionen im Mittelalter. 1310 wurde ein Nikolausmarkt in München erstmals urkundlich genannt, der Wenzelsmarkt im sächsischen Bautzen lässt sich bis ins Jahr 1384 zurückverfolgen. Zu Beginn fungierten sie in erster Linie als Versorgungsmärkte, spätestens im 17. Jahrhundert setzte der Übergang der Märkte zur heutigen Form ein – zu einer Zeit, als sich Weihnachten zu einem bürgerlichen Familienfest entwickelte.
In der Folge hat die deutsche Tradition immer stärker ihren Weg ins Ausland gefunden, vor allem in den angelsächsischen Raum. “In den USA spielen die vielen Geschichten von Leuten, deren Familien einst aus Deutschland ausgewandert sind, eine Rolle”, erklärt Hirschfelder. Die Stadt Cincinnati etwa, bekannt für den dortigen Christkindlmarkt, wurde im 19. Jahrhundert durch Einwanderer aus Deutschland geprägt. Deutsches Brauchtum ist dort noch heute Teil der Kultur.
Aber nicht nur in den USA, sondern auch in Australien gehen typisch deutsche Weihnachtsmärkte teils auf frühere Einwanderer aus Europa zurück. So findet auch dieses Jahr wieder der Christkindlmarkt in Hahndorf statt. Der Ort nahe der Stadt Adelaide im Süden des Landes entstand als eine deutsche Enklave. Anfang des 19. Jahrhunderts kamen Flüchtlinge aus Preußen in Australien an, es folgten weitere Einwanderungswellen. Typisch deutsche Weihnachtsmärkte gibt es so etwa auch mit dem “German Christmas Market” in Melbourne.
Für Ableger deutscher Weihnachtsmärkte muss man aber nicht in weit entfernte Länder reisen: Ein traditionelles deutsches Getränk ist Aushängeschild des “Birmingham’s Frankfurt Christmas Market” in England. An über 60 Ständen wird unter anderem heißer “Ebbelwei”, also Frankfurter Apfelwein, angeboten. Laut Veranstalter ist es der weltweit größte deutsche Weihnachtsmarkt außerhalb des deutschsprachigen Raums.
Gerade in England sei inszenierte Tradition wichtig, so Hirschfelder. “Man isst und trinkt gerne ungehemmt und der Weihnachtsmarktbesuch hat Partycharakter.” Verkauft werden oft Produkte aus dem deutschen Discount. “Aber das stört niemanden.”