Expertin fordert mehr Engagement gegen ungerechte Bildungschancen

Die Pädagogin und Beraterin für Ganztagsangebote, Marisa Neher, fordert, kleine Kinder schon vor der Schulzeit in der Kita gehaltvoll zu betreuen und zu bilden, um Ungerechtigkeiten in den Bildungsbiografien vorzubeugen. Ziel sei, dass Kinder „mit ziemlich gleichen Voraussetzungen und Vorwissen in das Schulsystem hinübergehen“, sagte Neher in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Mit der frühkindlichen Bildung gebe es viele Möglichkeiten, der Chancenungleichheit im weiteren Leben entgegenzutreten. „Ich wundere mich sehr, dass die Politik da so wenig unternimmt“, sagte Neher.

Die Beraterin für den schulischen Ganztag bei der Evangelischen Jugendsozialarbeit Bayern stellt fest, dass regionale und soziale Herkunft weiter eine wichtige Rolle in der Bildungsbiografie spielen. Kinder hätten ganz unterschiedliche Voraussetzungen in puncto Sprache oder bei den Unterstützungsmöglichkeiten der Eltern. Eine der größten Schnittstellen, an der Ungleichheit im Bildungssystem entstehe, sei der Übergang von der Grundschule in die weiterführende Schule. „Es ist erschreckend, dass bei gleicher Leistung Kinder von Nichtakademiker-Eltern eine Empfehlung für die Realschule bekommen und Kinder von Akademiker-Eltern für das Gymnasium. Das haben etliche Studien belegt“, sagte Neher.

Die Expertin schlägt vor, Übertrittempfehlungen zu hinterfragen. Man könne beispielsweise Psychologen in die Schule einladen, die die sozio-emotionale Entwicklung der Kinder bewerten und mit einem objektiven Leistungstest die schulischen Kenntnisse und Fähigkeiten abfragen.

Neher kann nicht der These zustimmen, dass das bayerische Bildungssystem für jeden jungen Menschen bis zur Universität durchlässig sei und Wechsel der Schulen jederzeit möglich seien. Es sei empirisch nachgewiesen, dass Schulwechsel für Jugendliche schwer zu bewältigen seien. „Es ist bürokratisch schwer, eine Schule zu finden, die einen aufnimmt und alle Leistungen anerkennt oder den Übertritt begleitet“, sagte Neher. Für die Jugendlichen sei es zudem mental schwierig, aus dem Umfeld herauszugehen, in dem die Gleichaltrigen bald ihre Mittlere Reife oder den Quali in der Tasche hätten. (00/3620/17.11.2024)