Expertin: Der Wunsch nach Heilsbringern ist ganz normal

Manche Politiker inszenieren sich als Heilsbringer. Esoterik und Astro-Angebote boomen, ebenso Coachings und Beratungen, die nicht immer seriös sind. Eine Expertin erklärt, woher die Sehnsucht nach solchen Figuren kommt.

“Depressionen loswerden in zwölf Wochen” oder “Mit Achtsamkeit gegen Krebs” – bei solchen Versprechungen rät die Psychoanalytikerin Diana Pflichthofer zur Vorsicht. “Das sind reißerische Angebote wie auf dem Fischmarkt”, sagte sie im Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Sie wünsche sich mehr Aufmerksamkeit für stillere, aber seriöse Hilfsangebote – von ausgebildeten Psychotherapeuten und Psychosomatikern, aber auch etwa von Caritas und Diakonie.

Es gebe “nicht nur Fragebögen, Apps und Übungen”, mit denen emotionale Belastung rasch abgearbeitet werden solle. “Sondern es gibt auch Menschen, die psychodynamisch arbeiten: Das heißt, wir bieten Gespräche innerhalb einer Beziehung an, und wir versuchen, im Rahmen dieser Beziehung etwas von dem Menschen zu verstehen, mit dem wir es zu tun haben.” Diese Form von Beziehung sei besonders wertvoll in Zeiten, in denen Einsamkeit ein immer größeres Problem werde.

Dass Menschen sich einfache Erklärungen und schnelle Lösungen wünschten, sei nicht überraschend, fügte Pflichthofer hinzu. “Wir sind immer auf der Suche nach guten Elternfiguren. Je nach innerer Stabilität ist dieser Wunsch mal größer und mal weniger groß.” Wer von Mutter und Vater gut umsorgt worden sei, verspüre diese Sehnsucht zwar auch, “aber möglicherweise nicht ganz so ausgeprägt wie bei Menschen, die das nie erleben durften”.

Wenn Coaches oder Autorinnen etwa durch Handauflegen zu helfen versprächen, spreche das eben diese Sehnsucht an. Die Fachwelt spreche von einem “Verwandlungsobjekt”, erklärte die Autorin des neuen Buchs “Die Psycho-Industrie”. Dies meine jemanden, “der mich von einem gequälten Subjekt in ein gutes, heiles verwandelt.”

Eine fundierte Therapie habe viel mit Vertrauen zu tun, mit der Frage, wem man sich öffnen könne. Und: “Ein therapeutisches Gespräch ist kein freundschaftliches. Ein Psychotherapeut wird sich persönlich zurückhalten, weil es nicht um ihn geht, sondern um die Person, die Hilfe sucht.” Wer keine entsprechende Ausbildung habe, mache oft den Fehler, von eigenen Erfahrungen auf andere zu schließen, die Dinge als Ratschlag weiterzugeben, die einem selbst geholfen hätten.

Es spreche nichts dagegen, sich in einer schwierigen Phase etwa einen Ratgeber zu bestellen oder zunächst mit Freundinnen und Freunden zu sprechen. “Wenn das nicht hilft, sollte man sich umschauen, welche seriösen Hilfsangebote es in der eigenen Umgebung gibt.”