Experten sehen Zustand der Oder weiter kritisch

Der Zustand der Oder wird knapp zwei Jahre nach der Umweltkatastrophe mit einem massiven Fischsterben weiter kritisch gesehen. Das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) wies am Mittwoch in Berlin auf einen hohen Salzgehalt im Wasser hin. Der IGB-Gewässerökologe Martin Pusch äußerte sich besorgt über den weiteren Verlauf des Sommers. Es komme nun darauf an, ob es auf polnischer Seite gelinge, Salzeinleitungen in den Fluss zu verringern. Die Lage sei „volatil“.

Es gebe derzeit überdies eine ähnlich hohe Algendichte wie vor der Umweltkatastrophe von 2022, hieß es. Diese produzierten jedoch bislang kein Gift. Christian Wolter vom IGB sagte, für den Tod von Fischen in Seitenarmen des Flusses vor wenigen Tagen seien vermutlich nicht giftige Algen, sondern niedrige Sauerstoffkonzentrationen im Wasser verantwortlich.

Die Wissenschaftler würdigten eine verbesserte Zusammenarbeit der polnischen Behörden seit dem Regierungswechsel. Polen halte jedoch weiterhin an Plänen für den Oder-Ausbau fest, obwohl damit keinerlei Aussichten auf Schifffahrt mit einer positiven Kosten-Nutzen-Bilanz verbunden seien. Der Ausbau erschwere dagegen eine Revitalisierung des Flusses und mache ihn weniger widerstandsfähig.

Stattdessen wären Rückbauten und die Förderung der Bildung von Inseln sinnvoll, um den Fluss gegen die Folgen des Klimawandels widerstandsfähiger zu machen, hieß es. In diesem Zusammenhang kritisierten die Wissenschaftler das für die Oder als Wasserstraße zuständige Bundesverkehrsministerium. Dieses verweigere einen konstruktiven Dialog, etwa über den Ausbau entsprechender Pilotprojekte.

Im August 2022 hatte ein massives Fischsterben in der Oder für Entsetzen gesorgt. Die Umweltkatastrophe ging Experten zufolge auf einen extremen Salzgehalt im Fluss zurück, der in Verbindung mit hohen Temperaturen zu einer Massenvermehrung der giftigen Algen geführt hatte. Nach Schätzungen des Instituts verendeten bis zu 1.000 Tonnen Fische.

In einem Sonderforschungsprojekt untersucht das Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei in Berlin, unter Einbeziehung des Instituts für Binnenfischerei Potsdam-Sacrow, unter welchen Bedingungen die anpassungsfähige und wandelbare Alge Prymnesium parvum das Toxin für Fische und andere Kiemenatmer in tödlichem Ausmaß produziert. Die Alge etablierte sich nach Angaben von Brandenburgs Umweltministerium mittlerweile im gesamten Flusslauf, einschließlich der Nebengewässer. Erschwerend komme hinzu, dass algenfressende „Filtrierer“ wie Schnecken und Muscheln aufgrund der Oder-Katastrophe von 2022 noch fehlten und sich das Öko-System des Flusses noch nicht erholen konnte.

Das Alarm- und Meldesystem wurde nach 2022 den Angaben zufolge mit der polnischen Seite optimiert. Vertreter polnischer Behörden versicherten auf der Konferenz „Perspektiven der Renaturierung im internationalen Odereinzugsgebiet“ Ende Mai 2024 in Breslau, dass das polnische Klima- und Umweltministerium alles tue, um die Möglichkeit einer giftigen Goldalgenblüte zu verringern.