Experten sehen Defizite in Erinnerungskultur

Die Sozial- und Erziehungswissenschaftlerin Meltem Kulacatan sieht mit Blick auf den Holocaust und die Einwanderungsgeschichte der Bundesrepublik Defizite in der Erinnerungskultur. Der Wissensstand darüber sei sehr unterschiedlich, sagte Kulacatan am Donnerstag in Berlin bei einer Tagung über „Erinnerungskultur und Gedenkpolitik in der pluralistischen Gesellschaft“. Das Gedenken und der Austausch über die Geschichte sei durch Amnesie und eine „Aufmerksamkeitsökonomie“ gekennzeichnet.

Die Professorin für soziale Arbeit an der Internationalen Hochschule Nürnberg sprach von einer „konjunkturellen Erinnerungskultur“. Mit Blick auf aktuelle politische Debatten in Deutschland zeigte sie sich erschrocken über den „Rechtsruck“ und die „Gleichgültigkeit und Passivität“ angesichts der Bedrohung demokratischer Institutionen. Kulacatan sprach bei einer Podiumsdiskussion über „transgenerationelle Erinnerung in der postmigrantischen Gesellschaft“. Veranstalter der Tagung war der Zentralrat der Juden.

Der Vereinsvorsitzende der Kreuzberger Initiative gegen Rassismus, Dervis Hizarci, betonte mit Blick auf die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte, in der Mehrheitsgesellschaft gebe es „einen großen Drang nach einem Schlussstrich“. In den migrantischen Milieus hingegen gebe es für die Erinnerungskultur keine „Anknüpfungspunkte“.

Die Direktorin der Bildungsabteilung beim Zentralrat, Sabena Donath, bemängelte einen fehlenden „Resonanzraum“ für „jüdische Erfahrungen“ im öffentlichen Raum. Es habe immer einen latenten Antisemitismus in der Gesellschaft gegeben.