Experten legen Vorschläge für Schutz des Verfassungsgerichts vor

Eine Gruppe von Verfassungsrechtlern und früheren Verfassungsrichterinnen und -richtern hat ein Diskussionspapier zum Schutz des Bundesverfassungsgerichts erarbeitet. Darin formulieren die Experten Vorschläge für Gesetzesänderungen, um die Rolle des Gerichts als oberste Kontroll- und Schutzinstanz der Grundrechte in Deutschland weiter abzusichern. Bislang sind zentrale Regeln zur Arbeitsweise und zu den Rechten des Verfassungsgerichts nicht im Grundgesetz, sondern in einem eigenen Gesetz geregelt. Diese Gesetzesvorschriften können – anders als die Verfassung selbst – mit Mehrheit des Bundestags geändert werden.

Im Zentrum der neuen Überlegungen steht die Frage, ob die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts in Gefahr geraten könnte. Nämlich dann, wenn eine autoritäre Regierung Einfluss auf die vom Grundgesetz vorgesehene Rolle des Gerichts oder auf die Besetzung von Richtern nehmen könnte.

Was bislang vor allem als in Fachkreisen geführte, theoretische Debatte galt, wurde durch die Entwicklungen in Polen oder Ungarn konkret. Die dortigen autoritären Regierungen hebelten die Unabhängigkeit und die Kontrollfunktion der obersten Gerichte aus. Auch in Israel wollte die Regierung das Verfassungsgericht schwächen.

Die von Bundespolitik und Juristen diskutierte Frage ist nun, ob Ähnliches auch in Deutschland möglich wäre. Zuletzt sprachen sich beispielsweise Justizminister Marco Buschmann (FDP) und Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) dafür aus, eine Debatte zur Stärkung der Resilienz des Verfassungsgerichts voranzubringen.

Das neue Experten-Diskussionspapier befasst sich nun mit drei Varianten. Für die Verfassungsrechtler wäre erstens denkbar, eine „Einvernehmenslösung“ im Grundgesetz zu verankern: Demnach müssten die Richter und Richterinnen des Verfassungsgerichts selbst zustimmen, wenn gesetzliche Regelungen zum Aufbau des Gerichts, zur Wahl und zu Aufgaben der Richter geändert werden. Dies würde allerdings neue demokratietheoretische Fragen aufwerfen, weil die Richter damit ihre Macht gegenüber dem Gesetzgeber absichern würden.

Laut der zweiten Variante wäre eine verhältnismäßig kleine Grundgesetzänderung nötig. Diese würde festschreiben, dass die Arbeitsweisen, Aufgaben sowie die Wahl der Verfassungsrichter zwar wie bislang im eigens dafür formulierten Gesetz über das Bundesverfassungsgericht verankert bleiben. Ein neuer Passus im Grundgesetz würde aber festlegen, dass wesentliche Änderungen daran nur mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit des Bundestags erfolgen könnten.

Die dritte, weitreichendste Variante würde schließlich die wesentlichen Vorgaben zu Funktion und Rolle des Bundesverfassungsgerichts direkt in das Grundgesetz einschreiben. Jede Änderung einer insoweit geänderten Verfassung wäre wiederum nur mit Zwei-Drittel-Mehrheit möglich.