Experten: Kriegsgegner im Sudan nutzen Hunger als Waffe

Seit einem Jahr kämpfen rivalisierende Generäle um die Macht in Khartum. Die Gewalt treibt Millionen in die Flucht und ins Elend. Nun melden sich mehrere Hilfsorganisationen mit einem eindringlichen Appell zu Wort.

Ein Jahr nach Kriegsausbruch steht der Sudan vor einem humanitären Kollaps. Vertreter von Hilfsorganisationen und Forschungseinrichtungen richteten am Dienstag alarmierende Worte an die Weltgemeinschaft. Die Experten beklagten, dass das ostafrikanische Land angesichts der Kriege in der Ukraine und in Nahost zusehends aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwinde.

Der Beginn des bewaffneten Konflikts zwischen Sudans Armee und den paramilitärischen Rapid Support Forces (RSF) jährt sich am 15. April zum ersten Mal. „Einiges weist darauf hin, dass beide Gegner Hunger als Kriegswaffe nutzen“, so die Einschätzung von Sudan-Forscherin Anette Hoffmann, die am Niederländischen Institut für Internationale Beziehungen tätig ist. Absichtlich zerstörten und plünderten die Kriegsparteien Lebensmittel. Dies beginne bereits auf den Feldern, wo die Kämpfer Aussaat und Ernte verhinderten. Derzeit steuere der Sudan auf eine landesweite Hungersnot zu.

Laut Eatizaz Yousif, Sudan-Direktorin des International Rescue Committee, ist eine wachsende Zahl von Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen: „Wir sprechen hier fast von der Hälfte der Gesamtbevölkerung von 45 Millionen.“ Zudem seien im Schnitt sieben von zehn Gesundheitseinrichtungen im Land zerstört oder geschlossen worden. Der Gesundheitssektor sei damit nahezu vollständig zusammengebrochen.

Der anhaltende Machtkampf treibt unterdessen auch nach einem Jahr täglich Tausende Menschen neu in die Flucht. Allein im Südsudan kämen durchschnittlich 1.800 Schutzsuchende pro Tag an, teilte das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR am Dienstag in Genf mit. Dies erhöhe den humanitären Druck in dem Land, das schon fast 640.000 Vertriebene aufgenommen habe, unter ihnen viele Südsudanesen, die zuvor in den Norden geflohen waren. Die Region erlebe eine der größten und herausforderndsten Krisen weltweit, sagte eine Sprecherin.

Wegen des Konflikts zwischen Sudans De-facto-Präsident Abdel Fattah al-Burhan und seinem früherem Stellvertreter Mohammed Hamdan Daglo mussten laut UNHCR inzwischen mehr als 8,5 Millionen Menschen ihr Zuhause verlassen. Die städtische Mittelschicht mit Berufsständen wie Ärzten, Lehrern, Ingenieuren und höher Gebildeten sei fast vollständig zerstört.

1,8 Millionen Menschen aus dem Sudan versuchten sich den UN-Angaben zufolge in Nachbarländern in Sicherheit zu bringen. Der Tschad habe den größten Flüchtlingszustrom seiner Geschichte erlebt. Die Zahl der registrierten sudanesischen Flüchtlinge in Ägypten habe sich verfünffacht. Auch Äthiopien, das schon eine der größten Anzahl von Geflüchteten auf dem Kontinent beherberge, melde weiter neue Ankünfte.