Der Umgang der Taliban mit Frauenrechten erschwert nach Ansicht des Afghanistan-Experten Thomas Ruttig die Hilfe im Erdbebengebiet. Das Verbot der Taliban für afghanische Frauen, in Nichtregierungsorganisationen und staatlichen Behörden zu arbeiten, sei „eine große Hürde“, sagte der Mitbegründer des unabhängigen Think Tanks „Afghanistan Analysts Network“ am Dienstagabend im WDR-Radio. Die UNO und viele ausländische Hilfsorganisationen würden allerdings durchsetzen, dass auch Frauen auch in Hilfsteams vor Ort sind und ihren Geschlechtsgenossinnen helfen können, „weil für die der Zugang natürlich leichter ist“. Das werde „zähneknirschend“ von den Taliban akzeptiert.
Die Hilfe insgesamt sei „ein ständiges Tauziehen um Verbote der Taliban und Versuchen, sie zu umgehen oder abzuschwächen“, erklärte Ruttig. Die UNO und Hilfsorganisationen, die schon länger im Land sind, seien da aber in einer guten Position. Nach Angaben der nationalen Rothalbmondgesellschaft sind bei dem Beben der Stärke 6,0 im östlichen Afghanistan mehr als 1.400 Menschen gestorben und mehr als 3.200 verletzt worden. Nach Einschätzung der Vereinten Nationen könnten Hunderttausende Menschen von dem verheerenden Beben direkt betroffen sein.
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 wurden die Hilfsgelder für Afghanistan stark gekürzt. Ruttig zufolge erschwert das jetzt die Versorgung der Verletzten. Dadurch, dass die Amerikaner ihre Hilfe ganz eingestellt hätten, seien nach UN-Angaben 80 Kliniken im Erdbebengebiet geschlossen worden. „Auch Deutschland hat die humanitäre Hilfe in etwa halbiert“, erklärte er.
Die Hilfe nach dem verheerenden Erdbeben könnte nach Einschätzung von Ruttig neues Vertrauen der Bevölkerung in den Westen aufbauen: „Es ist wichtig, dass Hilfe kommt. Dass die afghanische Bevölkerung jetzt merkt, dass die westlichen Länder – auch wenn sie mit ihrem Regime über Kreuz liegen – trotzdem Hilfe leisten und die Menschen nicht vergessen“, betonte er. In der jetzigen Krisensituation sei es wichtig, dass Afghanistan international eingebunden wird und das Taliban-Regime das auch zulässt.