Ex-Stewardess über ihre Zeit bei der „Glamour-Airline“ Pan Am
Rauchblaue Uniform, Pill-Box-Hut und weiße Handschuhe: Als Stewardess bei Pan Am war Edeltraut Lioba Miller stets top gekleidet. Nun hat sie ihre Erinnerungen an den Flugverkehr in Buchform veröffentlicht.
Es war eine Welt aus Glanz und Glamour: Hoch über den Wolken tranken die Passagiere Cocktails und Champagner, Stewardessen in edlen Uniformen brachten Kaviar und andere Köstlichkeiten, und auf einem Silbertablett wurden besten Zigarren gereicht. Mit Pan American Airways, kurz Pan Am, zu fliegen, war weit mehr als Beförderung: Es war Luxus. Auch deshalb galt Pan Am mehr als sechs Jahrzehnte lang als die führende Airline der Welt.
„Für mich als Stewardess war es immer ein Privileg, dort zu arbeiten“, berichtet die Münchnerin Edeltraud Lioba Miller, die in den 60er- und 70er-Jahren auf Südamerika-Linien unterwegs war. Ihre Erinnerungen an diese Zeit hat sie nun in dem Buch „Mythos Fliegen. Aus meinem Tagebuch als Pan Am Stewardess“ veröffentlicht.
Stewardessen wie Miller hatten strengstens auf ein gepflegtes Äußeres zu achten. Vorgeschrieben war neben den üblichen Kleidungsstücken auch ein „Girdle“, eine Art Hüfthalter, der von der Taille bis zum Oberschenkelansatz reichte – und verhinderte, dass sich die Unterwäsche abzeichnete. Einem strengen Reglement unterlagen außerdem der zu tragende Schmuck, die Farbe und Marke des Lippenstifts, die Maniküre. „Wir wurden alle Pan-Am-geschliffen“, fasst Miller zusammen.
Unmut, Aufbegehren oder gar Verweigerung habe es unter den Stewardessen indes nie gegeben. Vielmehr seien diese stolz gewesen, dazuzugehören. „Ich suchte wie alle anderen einen empfohlenen Friseur auf, um mir die Haare Pan-Am-like schneiden zu lassen. Das gefiel mir nicht. Aber da musste ich durch“, schreibt Miller.
Doch in „Mythos Fliegen“ geht es nicht nur um die Gepflogenheiten an Bord der Glamour-Airline. Das Buch berichtet auch vom Crew-Leben, von Reisezielen und Begegnungen mit berühmten Persönlichkeiten wie dem damaligen Bundeskanzler Willy Brandt oder Boxweltmeister Muhammad Ali. „Solch Prominenz bekommen Stewardessen heute nicht mehr zu Gesicht“, gibt die Autorin zu bedenken. „Denn wer so reich ist, reist mittlerweile in seinem Privatjet“.
Besondere Erwähnung findet eine Geburt, die sich 1970 auf einem Flug von Tokio nach San Francisco ereignete: Millers Kollegin Anne, eine ausgebildete Hebamme, und ein an Bord befindlicher Arzt halfen hoch über den Wolken einem kleinen Mädchen auf die Welt. Dabei wurde der mitgeführte Whisky zur Sterilisation verwendet und das Baby in große Stoffservietten gewickelt. Die glückliche Mutter fand auch sogleich einen Namen: Anna Maria Victoria; Anna nach der helfenden Stewardess und Victoria nach dem Flugzeug „Clipper Victor“.
Neben solch persönlichen Geschichten sind in Millers Buch die technischen Innovationen aufgeführt, die Pan Am als „Ikone der Luftfahrt“ auf den Weg brachte. Darunter vor allem die Einführung des ersten Großraumflugzeugs, der vierstrahligen Boing 747-100, später liebevoll „Jumbo-Jet“ genannt. Dieser Typ sollte das Fliegen einem breiteren Publikum möglich machen und begeisterte auch Miller: „Die B-747 war ‚mein‘ Arbeitsplatz“, heißt es, „und mein Herz schlägt noch heute höher, wenn ich in den Genuss komme, dem Start eines Jumbos nachzuschauen.“
Als schrecklich und schockierend beschreibt Miller hingegen die Flugzeugkatastrophen und -entführungen, die sie in den 1960er- und 1970er-Jahren hautnah miterlebte. „Das hat meinen Blick auf die Welt damals sehr verändert“, sagt sie. „Ich wurde durch meinen Beruf unweigerlich dazu gezwungen, über Politik nachzudenken.“
Mit Zweifel und Bedauern denkt die Autorin nach eigenem Bekunden an einen blinden Passagier zurück, der 1970 versuchte, heimlich von New York nach Brüssel zu kommen, um damit seiner Einberufung in den Vietnamkrieg zu entgehen. Für die junge Stewardess stand fest, dass sie den Vorfall melden müsse, wenn sie nicht ihren Job verlieren wollte. „Mein blinder Passagier ging von Bord, wurde identifiziert. Es tat mir unendlich leid. Hatte ich eine Wahl?“, fragt sich Miller noch heute.
Missmanagement, die Energiekrise und der Anschlag von Lockerbie leiteten schließlich den Niedergang der Glamour-Airline Pan Am ein; 1991 musste sie Konkurs anmelden. Zu diesem Zeitpunkt hatte Miller geheiratet und nach einer Zeit der Neuorientierung zu Lufthansa gewechselt. Von ihrer Anstellung bei Pan Am spricht die 79-jährige jedoch immer noch mit Begeisterung: „Reisen war damals Luxus, man musste auf einen Flug lange sparen und hat ihn entsprechend genossen.“
Heute, wo Billigflüge und Massenabfertigung an der Tagesordnung seien, sei das kaum vorstellbar. Die Autorin verweist aber auch auf die Schattenseiten ihres Jobs. So durften Stewardessen lange Zeit nicht verheiratet sein und auf keinen Fall schwanger werden, da ihnen sonst die fristlose Kündigung drohte. „Fliegen ist nicht nur ein Mythos, es ist eine Herausforderung, sich nicht von Glanz und Glamour verbiegen zu lassen. Piloten und Stewardessen waren manchmal dieser Herausforderung nicht gewachsen“, so Miller.