Behörden und Gesellschaft in Rheinland-Pfalz müssen sich nach Überzeugung des rheinland-pfälzischen Antiziganismus-Beauftragten Michael Hartmann ernsthaft mit der systematischen Benachteiligung von Sinti und Roma befassen. „Kernanliegen der Minderheit ist die Aufarbeitung der ‘Zweiten Verfolgung’“, sagte der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Überlebende wurden von Justiz und Behörden nach 1945 weder gut noch angemessen behandelt.“ So sei ehemaligen KZ-Häftlingen nach Kriegsende auch in Rheinland-Pfalz die Rückkehr in ihre eigenen Häuser verweigert worden.
Hartmann, der nach seiner Bundestagszeit wieder als Referatsleiter in das Mainzer Innenministerium zurückgekehrt war, wurde vor rund einem halben Jahr zum ersten Amtsinhaber der Beauftragtenstelle bestimmt. Zuvor habe er bereits federführend an den Verhandlungen eines Vertrags mit dem Landesverband der Sinti und Roma mitgewirkt und sich mit den Anliegen der Minderheit beschäftigt, berichtete er. Schließlich habe der Verband selbst seine Kandidatur ins Spiel gebracht: „Ich fand es sehr ehrenvoll, dass mir das Amt angetragen wurde.“
Nach der Verfolgung und systematischen Ermordung der Sinti und Roma während der NS-Herrschaft hatte es noch fast 40 Jahre gedauert, bis sie überhaupt als Opfergruppe anerkannt worden waren. Angehörige der Minderheit würden nach wie vor diskriminiert, sagte Hartmann. Weit verbreitet sei die Ausgrenzung an Schulen, teilweise nicht nur durch Mitschülerinnen und Mitschüler, sondern sogar durch Lehrkräfte. Daher komme es noch immer vor, dass Mitglieder von Sinti-Familien ihre ethnische Zugehörigkeit verschwiegen.
Dies gelte auch für die eigene Anschrift, da viele in Städten wie Mainz, Koblenz oder Landau konzentriert in bestimmten Wohngebieten leben. „Noch heute hören Kinder von ihren Eltern: Sag nicht, wo du wohnst und zu wem du gehörst“, sagte Hartmann. In der jungen Generation gebe es langsam zunehmend selbstbewusste Männer und Frauen, etwa die Winzerin und ehemalige Deutsche Weinkönigin Angelina Kappler.
Das durch die lange Verfolgung untergrabene Vertrauen in alle staatlichen Stellen müsse langsam aufgebaut werden. Dies gelte auch für Kontakte zur Polizei, sagte Hartmann: „Mir ist es ein Anliegen, das schwierige Verhältnis von Polizei und Minderheit in kleinen Schritten zu entkrampfen.“ Neben der Ausgrenzung der Minderheit sei auch der Erhalt der überwiegend mündlich überlieferten Sprache Romanes ein zentrales Anliegen. Die meisten Sinti und Roma seien zweisprachig, in der jüngsten Generation ließen die Kenntnisse jedoch oft nach.