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Ethikratsvorsitzender besorgt nach geplatzter Verfassungsrichterwahl

Was ein Punkt auf der Tagesordnung seien sollte, wurde zu einem politischen Eklat. Die Verfassungsrichterwahl ist gescheitert. Für den Juristen Helmut Frister wirft das Vorgehen ein schlechtes Licht auf die Politik.

Für den Ethikratsvorsitzenden und Juristen Helmut Frister wirft die im Bundestag gescheiterte Verfassungsrichterwahl ein schlechtes Licht auf die politsche Kultur in Deutschland. “Sollte dies Schule machen, wäre zu befürchten, dass hoch qualifizierte Bewerberinnen und Bewerber es sich in Zukunft zweimal überlegen, ob sie sich so etwas antun wollen”, sagte Frister am Mittwoch der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Berlin. Vergleiche mit den massiven Angriffen auf die Wissenschaftsfreiheit in den USA hält Frister dennoch für überzogen.

Über die Staatsrechtlerin Frauke Brosius-Gersdorf seien Unwahrheiten über ihre wissenschaftliche Positionen und Plagiatsvorwürfe verbreitet worden, so Frister weiter. Dabei sei die Kandidatin vom Richterwahlausschuss bestätigt und fachlich über jeden Zweifel erhaben. Gemeinsam mit knapp 300 Wissenschaftlern hatte Frister zuvor in einem offenen Brief deutliche Kritik an dem Umgang mit der Kandidatin und dem dadurch verursachten Schaden für Wissenschaft und Demokratie geübt. Auch Brosius-Gersdorf selbst hatte sich gegen Kritik an ihrer Person und Kandidatur gewehrt.

Frister führte weiter aus: “Das von Frau Brosius-Gersdorf vertretene Konzept eines abgestuften Lebensschutzes muss niemanden gefallen, ist aber rechtswissenschaftlich gut vertretbar und bedeutet keineswegs, dass das ungeborene Leben verfassungsrechtlich völlig schutzlos gestellt wäre.” Der im Grundgesetz verankerte Lebensschutz gelte nach diesem Konzept auch für das ungeborene Leben und setze dem Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren nach Abwägung Grenzen. Die Behauptung, Brosius-Gersdorf trete für eine Zulassung des Schwangerschaftsabbruchs bis zum Beginn der Geburt ein, entbehre folglich jeder Grundlage, hob Frister hervor.

Am Freitag war die Wahl dreier neuer Verfassungsrichter für Karlsruhe, darunter Brosius-Gersdorf, im Bundestag gescheitert. Hintergrund war vor allem scharfe Kritik an ihrer liberalen Haltung bei Fragen des Schwangerschaftsabbruchs. Die Wahl soll nun nach der Sommerpause nachgeholt werden. Aus der Union gibt es Forderungen an die SPD, eine andere Person ins Rennen zu schicken. Doch der Koalitionspartner will offenbar an Brosius-Gersdorf festhalten.