Estland erhöht Druck auf Kirche des Moskauer Patriarchats
Der estnische Innenminister droht mit dem Verbot der mit Moskau verbundenen orthodoxen Kirche. Denn Patriarch Kyrill I. rechtfertige Kriegsverbrechen. Die Kirche spricht von einer Verletzung der Religionsfreiheit.
Per Gesetz soll in Estland die örtliche orthodoxe Kirche gezwungen werden, alle Verbindungen zum Moskauer Patriarchat abzubrechen. Das russisch-orthodoxe Kirchenoberhaupt Patriarch Kyrill I. arbeite Hand in Hand mit dem Kreml, begründete Innenminister Lauri Läänemets den Gesetzentwurf im Parlament in Tallinn. Er setze Religion zur Gehirnwäsche ein, “um Kriegsverbrechen und neoimperialistisches Denken zu rechtfertigen”.
Der estnische Staat könne in Anbetracht seiner geografischen Lage und der heutigen Realität nicht akzeptieren, dass Kyrill I. das Oberhaupt der estnisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats sei. Er säe Hass und Verachtung gegenüber Nachbarvölkern Russlands, so der sozialdemokratische Politiker.
Der Entwurf untersagt laut Läänemets religiösen Organisationen, die Grundsätze des Völkerrechts missachteten, jede Tätigkeit in Estland. Dies gelte für Religionsgemeinschaften, die von einer Person aus der Ferne geleitet würden, die durch ihre Aktivitäten eine Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit Estlands darstellen könnte. “Wir müssen jede Möglichkeit ausschließen, dass die Moskauer Mutterkirche in einer ähnlichen Situation wie in der Republik Moldau einen solchen Druck auf die estnische Kirche und ihren Klerus ausüben kann”, forderte der Minister. Der Moskauer Patriarch habe versucht, in Moldau Einfluss auf das dortige Referendum über einen EU-Beitritt zu nehmen und mit Hilfe der örtlichen orthodoxen Kirche Europa zu dämonisieren.
Bischof Daniel (Lepisk) von der estnisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats sieht in dem Gesetzentwurf einen Verstoß gegen die Religionsfreiheit. Im estnischen Fernsehen betonte er am Donnerstagabend, seine Kirche werde weder vom Kreml noch von Kyrill I. geleitet. Die Entscheidungen würden von einer Kirchenversammlung in Estland getroffen. Das Moskauer Patriarchat müsse diese nur genehmigen.
Das Oberhaupt der estnischen Kirche, der russische Staatsbürger Metropolit Eugeni (Reschetnikow), hatte im Februar Estland verlassen müssen, weil die Behörden eine Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung verweigerten. Im August sagte sich die Kirche vom Moskauer Patriarchat los und änderte ihr Statut. Dies geht der Regierung aber nicht weit genug. In einer Umfrage waren Mitte Oktober 59 Prozent der Estinnen und Esten dafür, dass die Kirche alle Beziehungen zum Moskauer Patriarchat abbricht. 19 Prozent waren dagegen.
Die Kirche lehnt Bischof Daniel zufolge eine Vereinigung mit der estnischen apostolisch-orthodoxen Kirche ab, die zum Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel gehört. Es fehle an Vertrauen zu dieser Kirche, sagte er. Die apostolisch-orthodoxe Kirche hatte der estnischen Kirche des Moskauer Patriarchats den Status eines selbstverwalteten Vikariats angeboten.
In Estland gehört die Mehrheit der Bevölkerung keiner Religionsgemeinschaft an. Bei der Volkszählung 2021 bekannten sich 16 Prozent der Bürgerinnen und Bürger zum orthodoxen Christentum – nach Mitgliedschaft von beiden orthodoxen Kirchen wurde dabei nicht unterschieden.