Erzieher werden verzweifelt gesucht

Erzieher werden in Schleswig-Holstein dringend gesucht – doch der Fachkräfte-Markt ist leer gefegt. Weil Vertretungskräfte fehlen, arbeiten die Betreuer bei Krankheit oder Urlaub von Kollegen vielerorts in Unterzahl, auch bei evangelischen Kitas.

Kinder zu schminken, ist nur eine Aufgabe der Erzieher
Kinder zu schminken, ist nur eine Aufgabe der ErzieherThomas Kujawa / Pixelio

Kiel. Eine viel zu dünne Personaldecke stellt offenbar viele Kindertagesstätten in Schleswig-Holstein vor Probleme. Das ergab eine Studie des Deutschen Instituts für Sozialwirtschaft, die vom Kita-Aktionsbündnis Schleswig-Holstein in Auftrag gegeben wurde. Für  die Studie wurden rund 700 nichtkommunale Einrichtungen befragt. Sie wurde vor Kurzem in Kiel vorgestellt.
Demnach liegt die Zahl qualifizierter Mitarbeiter in vielen Kitas sogar unter den gesetzlichen Mindestanforderungen. Zudem sei der Krankenstand mit 17,2 Tagen pro Jahr deutlich höher als im Durchschnitt von 13 Tagen. Die Zahlen würden belegen, wie angespannt die Situation in den Kitas ist, sagte Markus Potten, Geschäftsführer des Verbandes Evangelischer Kindertageseinrichtungen, kurz VEK, und zugleich Sprecher des Kita-Aktionsbündnisses: „Wir haben hier akuten Handlungsbedarf.“

Kein Geld für Vertretung

Anderthalb Erzieher sind rein rechnerisch als Betreuer für eine Gruppe mit 22 Kindern im Alter zwischen drei und sechs Jahren vorgesehen. Bei einer Krippengruppe, in der die Null- bis Dreijährigen versorgt werden, sind es zwei Erzieher. Doch nicht einmal diese Untergrenze des Personalschlüssels werde eingehalten, so Franziska Schubert-Suffrian, stellvertretende Geschäftsführerin des VEK: „In jeder fünften Kita sind Stellen unbesetzt. Rund 50 Prozent der Einrichtungen haben keine Mittel für Vertretungskräfte, die bei Urlaub, Fortbildung oder Krankheit einspringen. Und selbst wenn es einen Etat gibt, finden die Leiter kaum Arbeitskräfte.“
Laut der Studie hat zwar nur jeder vierte Kindergarten Betreuungsangebote gestrichen, doch die Dunkelziffer sei erheblich höher, erläuterte die Expertin. Viele Betriebe hätten die Ausfälle mit Notlösungen überbrückt, doch „eigentlich hätten 2015 zeitweise etwa 75 Prozent der Einrichtungen schließen müssen“, so Schubert-Suffrian. Das System sei in sich viel zu leidensbereit: „Es ist ein Teufelskreislauf. Die verbliebene Kollegin beißt die Zähne zusammen und arbeitet an ihrem Burnout.“

"Beruf muss attraktiver werden"

Die VEK-Koordinatorin moniert, dass das erst 2016 vom Landtag beschlossene Krippengeld, durch das Eltern mit 100 Euro pro Monat unterstützt werden, wenn sie ihr unter drei Jahre altes Kind zur Krippe anmelden, komplett an der Kita vorbeigehe. „Um eine stabile und verlässliche Betreuungssituation zu schaffen, bräuchten die Kitas einen Etat, mit dem sie Vertretungskräfte verpflichten könnten. Es wäre ein Schritt in die richtige Richtung, das Krippengeld dafür zu verwenden“, sagte Schubert-Suffrian. Zudem müsse der Beruf des Erziehers deutlich attraktiver werden, um für genügend Nachwuchs zu sorgen. „In kaum einem Bundesland wird so wenig Geld pro Kind in die Hand genommen wie in Schleswig-Holstein. Ich kenne junge Erzieherinnen, die nach kurzer Zeit lieber noch etwas studieren, sich umschulen lassen oder im Supermarkt an der Kasse arbeiten, anstatt sich im Kindergarten abzurackern.“
Das Kita-Aktionsbündnis Schleswig-Holstein besteht aus der Landeselternvertretung, den Gewerkschaften GEW, Ver.di und Kirchengewerkschaft sowie den Freien Wohlfahrtsverbänden und dem VEK. Weitere Infos zur Studie gibt es auf www.vek-sh.de.