Erzbischof Koch fordert mehr Engagement gegen Antisemitismus

Berlins katholischer Erzbischof Heiner Koch fordert mehr Engagement gegen Antisemitismus in Deutschland. Das aktuelle Ausmaß von Judenfeindlichkeit schockiere ihn, sagte er dem „Handelsblatt“ (Montag): „Dass Davidsterne an Haustüren geschmiert und in Berlin Molotow-Cocktails auf eine Synagoge geworfen werden, damit habe ich nicht gerechnet. Ich habe immer gedacht, wir hätten die Lehren aus unserer Geschichte gezogen.“

Erschütternd nannte Koch auch, dass es aus seiner Sicht viel zu wenig Widerspruch gebe, wenn Demonstranten zum Beispiel „Tod Israel“ oder „Tod den Juden“ skandierten: „Auch das Schweigen ist ein Hinweis, wie es um die emotionale Verbundenheit mit Israel in Teilen der Gesellschaft steht. Nichts sagen ist auch eine Meinung.“

Der Bischof nannte es „weitgehend überzeugend, wie die Regierung unter Bundeskanzler Olaf Scholz uneingeschränkt an der Seite Israels steht“. Aber die Gesellschaft und auch die Kirchen dürften ihre Verantwortung nicht an die Regierung abgeben: „Wer beim Schicksal der ermordeten Jüdinnen und Juden keine Empathie verspürt und den Extremisten die Straße überlässt, der soll sich einfach die fürchterlichen Bilder des eiskalt kalkulierten Massenmords der Hamas-Terroristen an unschuldigen Zivilisten ansehen.“

Als Bischof habe er unter anderem zum 9. November zu einem „Gedenkweg“ eingeladen, Synagogen besucht und zu Chanukka gratuliert, berichtete der Hauptstadtbischof weiter: „Unser Platz als Kirche ist an der Seite unserer jüdischen Nachbarinnen und Nachbarn. Aber selbst bei der ‚Nie wieder ist jetzt‘-Demonstration vor dem Brandenburger Tor war zahlenmäßig noch deutlich Luft nach oben.“

Mit Blick auf Christen, die in der NS-Zeit ihr Leben riskierten, wenn sie Jüdinnen und Juden vor der Deportation versteckten, riskiere man heute allenfalls, „dass mir kalt wird, wenn ich mich bei einer Demonstration gegen Antisemitismus engagiere“, fügte Koch hinzu: „Da ist entweder Gleichgültigkeit oder Faulheit im Spiel. Es geht um unser Zusammenleben hier in Deutschland.“