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Erzbischof Coakley soll US-Kirche führen – Kein Mann für Schubladen

Selten ist ein Bischofskonferenz-Vorsitzender mit so wenig Vorschusslorbeer gestartet wie Paul Coakley. Doch ihm könnte gelingen, was andere seit Jahren vergeblich versuchen: Brücken bauen zwischen verfeindeten Lagern.

Das Echo unter liberalen Kommentatoren in den USA fiel desaströs aus. Als die katholischen Bischöfe des Landes vergangene Woche Paul Coakley zu ihrem neuen Vorsitzenden wählten, sprach aus vielen Schlagzeilen unverhohlene Enttäuschung. “Ein deprimierendes Ergebnis”, titelte der “National Catholic Reporter”.

Die Nachrichtenagentur Associated Press argwöhnte, dass nun mit dem Erzbischof von Oklahoma City ein “konservativer Kulturkämpfer” an der Spitze des US-Episkopats stehe. Und das ausgerechnet während der zweiten Amtszeit von Präsident Donald Trump. Die Wahl Coakleys könne gar zu Spannungen mit dem Papst führen, mutmaßten manche Experten, die Coakley wahlweise als “erzkonservativ” oder “urkonservativ” bezeichneten.

Kurzum: Selten ist ein Bischofskonferenz-Vorsitzender mit so wenig Vorschusslorbeer gestartet. Doch nur einen Tag nach der viel beachteten Personalie zeigte sich: Der befürchtete Rechtsruck fällt aus. Fast einstimmig verabschiedeten die Bischöfe eine “besondere Botschaft”, mit der sie sich klar gegen die Migrationspolitik der Trump-Regierung positionierten. “Wir lehnen die wahllose Massenabschiebung von Menschen ab”, heißt es darin unmissverständlich.

Es war das erste Mal seit zwölf Jahren, dass sich die Bischofsvollversammlung so ausdrücklich zu einem politischen Thema äußerte. Der aus den USA stammende Papst Leo XIV. begrüßte die Erklärung seiner Landsleute in Form und Inhalt. Er rief dazu auf, “aufmerksam auf das zu hören, was sie gesagt haben”. Das US-Einwanderungssystem müsse dringend reformiert werden.

Das entspricht exakt der Linie, die Coakley seit Jahren vertritt. Allerdings ist der 70-Jährige kein Mann für politische Schubladen. Er lässt sich weder dem “Make America Great Again”-Lager Trumps noch dem liberalen Establishment zuordnen. Ebenso wenig kann man ihn in den Reihen der Traditionalisten um Kardinal Raymond Burke verorten. Der von Benedikt XVI. 2010 zum Erzbischof von Oklahoma ernannte Geistliche verfolgt in vielerlei Hinsicht einen eher pragmatischen Ansatz.

So auch in der heiklen Migrationsfrage. Coakley ist kein Befürworter einer Politik der bedingungslos offenen Grenzen. Er argumentiert differenzierter. “Seien wir klar: Illegale Einwanderung ist falsch, und es sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Grenzen Oklahomas zu schützen, insbesondere gegen Menschen- und Drogenhandel”, schrieb er im April 2024. “Aber wir müssen auch anerkennen, dass die meisten undokumentierten Einwanderer in Oklahoma anständige Mitglieder unserer Gemeinden und Kirchen sind – und keine gewalttätigen Kriminellen.” Der Erzbischof plädiert dafür, die Einwanderung durch umfassende Gesetzesänderungen in geordnete Bahnen zu lenken.

Auf öffentliche Schelte gegen den Präsidenten verzichtet er indes bewusst – wohl wissend, dass 55 Prozent der US-Katholiken dem exzentrischen “Anti-Politiker” ihre Stimme gegeben haben. Agitation gegen die eigene Klientel wäre demnach wenig zielführend – zumal es beträchtliche Schnittmengen in zentralen Fragen gibt. So ist das Thema Lebensschutz für die katholische Kirche in den USA seit jeher von besonderer Bedeutung. Im Kampf gegen Abtreibung sehen viele engagierte Kirchenmitglieder Trump als Verbündeten.

Coakley ist ebenfalls ein dezidierter Verfechter des Pro-Life-Kurses; doch im Gegensatz zum Trump-Lager ist er konsequent: Die Todesstrafe lehnt er genauso vehement ab wie Schwangerschaftsabbrüche. Immer wieder setzte er sich in den vergangenen Jahren medienwirksam für eine Begnadigung zum Tode verurteilter Straftäter in Oklahoma ein.

Weitgehend auf MAGA-Linie ist wiederum seine Ablehnung der “Gender-Ideologie”. Menschen, die mit der eigenen Geschlechtsidentität zu kämpfen hätten, müsse zwar geholfen werden, so der Standpunkt des US-Oberhirten. Gendermedizinische Eingriffe seien dabei aber “keine hilfreiche Option”. Kirchliche Seelsorge müsse Betroffenen stattdessen helfen, ihr “gottgegebenes Geschlecht” anzunehmen.

Als Vertreter eines traditionellen Familien- und Gesellschaftsbildes steht Coakley unter seinen Amtsbrüdern nicht allein. Die Versuche, ihn als ewig gestrigen Betonkopf zu framen, werden ihm nicht gerecht. Als Berater des Napa-Instituts, einer konservativ ausgerichteten Vereinigung katholischer Führungsfiguren, kann man ihm aber durchaus Nähe zur Republikanischen Partei attestieren.

Jedoch: Parteipolitik ist seine Sache nicht. Vielmehr will Coakley als Bischofskonferenz-Vorsitzender dazu beitragen, “die Spaltungen im Land zu überwinden”, wie er jüngst dem Portal Vatican News versicherte. Dass er dafür mit Andersdenkenden ins Gespräch kommen und Kompromisse suchen muss, ist ihm bewusst.