Erste Konsequenzen aus Vatikan-Papier zur Segnung Homosexueller

Viele hätten nicht für möglich gehalten, was am Montag vom Vatikan verkündet wurde: Homosexuelle und wiederverheiratete Paare dürfen gesegnet werden. Ein frühes Weihnachtsgeschenk?

Nach der Vatikan-Freigabe von Segnungen für Homosexuelle sowie für unverheiratete oder wiederverheiratete Paare will das Bistum Rottenburg-Stuttgart zeitnah Vorschläge für entsprechende Segnungen erarbeiten. Geplant sei eine „Materialsammlung mit Bausteinen für Segnungen“, sagte der Leiter des Bistums, Clemens Stroppel, am Dienstag.

Die Entscheidung des Vatikan sorgte unterdessen für unterschiedliche Reaktionen in der Kirche in Deutschland. Der Münchner Kardinal Reinhard Marx sagte in München, er sei schon ein bisschen überrascht. Der Erzbischof sprach von einem ersten Schritt, der für die Katholiken in Deutschland klein ausschauen möge – „aber für manche in der Weltkirche ist das gewaltig, das so zu hören, dass das möglich sein soll“. In Afrika würden bestimmt einige den Kopf schütteln.

Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki äußerte sich auf Anfrage nicht persönlich zu der römischen Erklärung. Die Pressestelle des Erzbistums Köln betonte, das Dokument verknüpfe die überlieferte Lehre vom Ehesakrament mit dem Aufruf zu einer behutsamen Pastoral für Paare „in besonderen Lebenssituationen“. Es lasse keine Art von liturgischem Ritus oder diesem ähnliche Segnungen zu, die Verwirrung stiften könnten. „Dem Dokument entsprechend werden wir im Erzbistum Köln auch weiterhin unsere Pastoral in Einheit mit der Universalkirche gestalten.“

Der Bischof von Dresden-Meißen, Heinrich Timmerevers, zeigte sich „sehr froh und sehr überrascht“ über die Entscheidung. „Das hat es noch nicht gegeben in der Geschichte der Kirche, diesen Meilenstein, den der Papst jetzt hier ermöglicht“, sagte er im ARD-Morgenmagazin. Vielleicht habe auch der deutsche Reformprozesses Synodaler Weg zum Zustandekommen des Papiers beigetragen.

Auch der künftige Bamberger Erzbischof Herwig Gössl begrüßte die Entscheidung. Es dürfe aber nicht übersehen werden, dass die Erklärung zwischen Segnung und Eheschließung unterscheide.

Der Speyerer Bischof Karl-Heinz Wiesemann sprach von einer erneuerten pastorale Haltung, die in dem Schreiben aus dem Vatikan sichtbar werde. „Eine Haltung, die nicht moralisch verurteilt und ausgrenzt, sondern die positiven Werte sieht und anerkennt, die auch in Paarbeziehungen jenseits der christlichen Ehe gelebt werden.“

Der Bischof von Münster, Felix Genn, lobte eine große Ausgewogenheit, die in dem Dokument zum Ausdruck komme.

Aus den Reihen der Bundesregierung meldete sich Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). „Als Katholik begrüße ich es, wenn sich die Kirche der Lebenswirklichkeit aller Menschen öffnet“, erklärte er auf Anfrage.

Die beiden katholischen Frauenverbände KDFB und kfd begrüßten die Entscheidung des Vatikans. Die kfd-Bundesvorsitzende Mechthild Heil sprach von einem „guten, aber auch längst überfälligen Schritt“. KDFB-Präsidentin Anja Karliczek sagte, die Entscheidung sei ein Signal für mehr Vielfalt und Toleranz in der Kirche.

Die Initiative „Wir sind Kirche“ sprach von einem kleinen Schritt in die richtige Richtung. Allerdings zeige die Begründung des Vatikans, dass sich im Verständnis der Kirchenspitze in Bezug auf die Lebensrealität homosexueller wie auch wiederverheirateter Paare nicht wirklich etwas geändert habe.

Die Initiative Maria 2.0 erklärte, die Maßnahme zeige zwar eine lange überfällige Öffnung, doch würden „die tiefergehenden strukturellen Probleme und Diskriminierungen innerhalb der katholischen Kirche“ damit keineswegs angemessen behandelt. Schon die Unterscheidung in „irreguläre und reguläre Partnerschaften“ stelle weiterhin eine gravierende Form der Diskriminierung dar und widerspreche den Menschenrechten, so Maria 2.0.

Aus Sicht des Bonner Moraltheologen Jochen Sautermeister ist die Erklärung wegweisend. „Seelsorger und Priester können sich bei Segensbitten nun nicht mehr auf ein kirchliches Verbot von Segnungen gleichgeschlechtlicher Paare mit Verweis auf die kirchliche Lehre berufen“, sagte er dem Internetportal domradio.de.