Gehörlose Abgeordnete Heubach – ein besonderer Moment

Wedeln statt Klatschen: Die gehörlose SPD-Abgeordnete Heike Heubach hält ihre erste Rede im Bundestag – und die Abgeordneten applaudieren mit der Gebärde für Applaus.

Heike Heubach (SPD) hielt als erste gehörlose Abgeordnete eine Rede im Bundestag
Heike Heubach (SPD) hielt als erste gehörlose Abgeordnete eine Rede im BundestagImago / Political Moments

Es war eine Premiere: Zum ersten Mal hat eine gehörlose Abgeordnete im Bundestag eine Rede gehalten. In der Wohnungsbau-Debatte trat die bayerische SPD-Abgeordnete Heike Heubach ans Pult und wandte sich in Gebärdensprache an die Abgeordneten. Eine Dolmetscherin sprach die rund vierminütige Rede in Mikrofone. Die stellvertretende Bundestagspräsidentin Aydan Özoguz (SPD) gratulierte Heubach zu ihrer ersten Rede im Parlament und sprach von „einem ganz besonderen Moment“.

Vor ihrer Rede verfolgte Heubach die Debatte um die von Bauministerin Klara Geywitz (SPD) vorgelegte Modernisierung des Baugesetzbuchs von ihrem Platz aus in der dritten Reihe der SPD-Fraktion. Zwei Dolmetscherinnen übersetzten die Reden der Abgeordneten in Gebärdensprache. Heubach zeigte sich nach ihrem Auftritt sehr zufrieden. Es sei „super gelaufen“. 75 Jahre nach der Konstituierung des Bundestags sei es „höchste Zeit“ für die Rede einer gehörlosen Person im Parlament, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wir Abgeordnete müssen ein Spiegel der Gesellschaft sein“, sagte sie. Die Menschen, die den Bundestag wählen, müssten sich von den Abgeordneten auch vertreten fühlen.

Heike Heubach: Als Nachrückerin in den Bundestag

Heubach ist die erste gehörlose Bundestagsabgeordnete überhaupt. Sie kam im März dieses Jahres als Nachrückerin für ihren Parteikollegen Uli Grötsch in den Bundestag, der zum Polizeibeauftragten des Parlaments gewählt worden war. Die 44-Jährige hat ihren Wahlkreis in Augsburg-Land und arbeitete als Industriekauffrau im Energiesektor. Im Bundestag gehört sie dem Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen an.

In der ersten Lesung zur Modernisierung des Baugesetzbuches hob Heubach hervor, dass die Kommunen mehr Möglichkeiten bekämen, Städte und Gemeinden an den Klimawandel anzupassen. Kritik an den Kosten für klimagerechtes Bauen wies sie zurück: „Am teuersten wird es dann, wenn wir nichts tun“, sagte Heubach. Die Abgeordneten applaudierten ihr mit lächelnden Gesichtern und dem Wedeln der Hände, der Gebärde für Beifall. Erst am Ende der Rede klatschten sie laut Beifall – bis dahin herrschte eine konzentrierte Stille im Parlament. Allerdings sind bei den ersten Reden neuer Abgeordneter auch sonst Zwischenrufe und Störungen nicht üblich.

Als Heubach im März in den Bundestag kam, war sie von Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD) zu einem Gespräch empfangen worden. Die Bundestagsverwaltung habe sich bereits darauf vorbereitet, der ersten gehörlosen Abgeordneten eine barrierefreie Wahrnehmung ihres Mandats zu ermöglichen, hatte Bas betont. Heubachs Einzug in den Bundestag wertete Bas als ein starkes Zeichen für „gelebte Inklusion im Bundestag“.

Ampel will Baugesetz reformieren

Die Ampel-Koalition will für mehr bezahlbare Wohnungen und städtebaulichen Klimaschutz sorgen und den Wohnungsbau vereinfachen. Dazu soll die Reform des Baugesetzes beitragen. Die Union kritisierte sie als mutlos, bot der Regierung aber auch ihre Zusammenarbeit an, um den Wohnungsmangel zu bekämpfen. Bisher ist es der Ampel-Koalition nicht gelungen, ihr erklärtes Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr zu erreichen.