Gedanken zu Erntedank: Dankbar leben!

Zu danken gibt Trost inmitten von Krisen. Eine Wegzehrung für leichte und schwere Zeiten. Pfarrer Günter Hänsel macht sich in seinem Gastbeitrag Gedanken zum Erntedankfest.

Food-sharing-Schrank in Kirchengemeinde Hattingen
Food-sharing-Schrank in Kirchengemeinde HattingenIMAGO / Funke Foto Services

Schon lange begleitet mich ein kleines Abendritual, das mir mein geistlicher Wegbegleiter Pater Anselm Grün auf den spirituellen Weg mitgegeben hat: Ich beschließe den Abend mit einem dankbaren Blick auf den Tag. Manchmal schreibe ich meinen Dank in ein kleines Buch, an anderen Tagen tue ich es gedanklich. Drei Worte genügen oft. Ich denke an Menschen, Lebende und Verstorbene, die mich im Leben begleitet haben oder dies gerade tun. Oft denke ich an eine schöne Begegnung, an eine Blume am Straßenrand oder an einen Gedanken aus einem Buch oder einem Gespräch, der mich besonders berührt hat.

Trauer um zerstörten Lebensraum von Tieren und Pflanzen

In diesen Tagen feiern wir Erntedank, ein Fest der Dankbarkeit für alles Gewachsene, Gereifte und Geerntete. Zugleich empfinde ich Trauer über das Ausbleiben von Ernte. Viel Lebensraum von Tieren und Pflanzen ist zerstört. Die Klimakrise bedroht alles Lebende auf dieser Erde. Dieser Trauer gebe ich am Erntedankfest auch Raum.

Jedes Jahr erinnert mich das Erntedankfest daran, über ein Leben nachzudenken, das in seiner Grundhaltung von Dankbarkeit geprägt ist. Etymologisch kommt das Wort „danken“ von „denken“. Eine wunderbare Bedeutung finde ich: Denke ich richtig über mein Leben? Nehme ich wahr, was mir täglich geschenkt wird und was mir geschenkt wurde? Weiß ich mich verbunden mit allem Lebenden auf dieser Erde?

Das Leben ist kostbar

Ich denke an Worte, Lieder und Gesten anderer Menschen, die gutgetan haben, die Wärme und Licht ins Leben gebracht haben, an die Gaben der Natur, die Leib und Seele nähren. Ein dankbarer Mensch denkt sein Leben vom Geschenk her. Der Mystiker Meister Eckhart meint: „Wer das Leben fragte tausend Jahre lang: ‚Warum lebst du?‘ – könnte es antworten, es spräche nichts anderes als: ‚Ich lebe darum, dass ich lebe‘.

Das kommt daher, weil das Leben aus seinem eigenen Grunde lebt und aus seinem Eigenen quillt; darum lebt es ohne Warum eben darin, dass es (für) sich selbst lebt.“ Das Leben selbst, einfach „am Leben zu sein“ und an ihm teilzuhaben, trägt eine kostbare Schönheit in sich. Das „am Leben sein“, ohne jeden Zwang, dem Leben einen Sinn geben zu müssen, ist kostbar. Jede Form von angestrengter Sinnsuche und die Gefahr, Schmerz und Leid in Sinn erklären zu müssen, verstummen. Ein weiser Gedanke für das junge Leben und das Leben im Alter.

Das Buch der Dankbarkeit

Auch der Einsatz für eine ökologisch-gerechte und friedliche Welt bleibt Auftrag, ohne Warum! Das Buch der Dankbarkeit hervorholen In diesen Zeiten der Sorgen und Krisen denke ich an Albert Schweitzer, der den Rat gibt: „Wenn du dich schwach und matt und unglücklich fühlst, fang an zu danken, damit es besser mit dir werde.“ Wenn das Danken schwerfällt, hole ich das Dankbarkeitsbuch hervor, freue mich über das, was ich einmal aufgeschrieben habe, spüre tiefe Dankbarkeit und auch Trost. Zu danken gibt Trost inmitten von Krisen. Wenn ich mir Zeit für das Danken nehme, lege ich wie an einem Ufer an und empfinde Trost, wie es die Journalistin und Autorin Gabriele von Arnim in ihrem neuesten Buch „Der Trost der Schönheit. Eine Suche“ formuliert: „Trost heißt nicht, dass alles gut wird. Trost heißt am Schmerzfluss Ufer bauen, Liegeplätze, an denen man den Kahn anbinden, aussteigen und sich ausruhen kann.“

Das Danken nicht zu vergessen heißt, eben einen Rast- und Uferplatz zu finden, an das zu denken, was das Leben erhält und worin es wurzelt, aufzuatmen und am nächsten Abend wieder zum Danken zurückzukehren, drei Worte zu finden und zu sprechen: „In deine Hände, Gott, lege ich mein Leben.“ Darin liegt Wegzehrung für leichte und schwere Zeiten.

Info: Der Kreisbauernverband Prignitz e.V., die Stadt Perleberg und der Kirchenkreises Prignitz laden ein zum LandesErnteDank am 1. Oktober in Perleberg. Um 10 Uhr findet der Festgottesdienst in der St. Jacobi-Kirche Perleberg statt. Er wird live von rbb-Kulturradio übertragen. Die Predigt hält Bischof Christian Stäblein. Musikalisch begleitet wird der Gottesdienst vom Posaunenchor Perleberg und Kreiskantorin Susanne Krau. Gäste werden gebeten, die Plätze bis 9.45 Uhr einzunehmen. Nach dem Gottesdienst findet die Aktion „5 000 Brote“ statt, bei der Brote auf dem Großen Markt gegen Spenden abgegeben werden. Der Erlös kommt Menschen in Myanmar zugute. Das weitere Programm finden Sie auf der Webseite des Kirchenkreises Prignitz.

Günter Hänsel ist Pfarrer in der Kirchengemeinde Berlin-Schlachtensee