Erklärung zur Rechtfertigungslehre vor 25 Jahren unterzeichnet

Ein wesentlicher Streitpunkt zwischen Katholiken und Protestanten wurde vor 25 Jahren ausgeräumt. Worum es ging und was nächste Schritte sein könnten.

“Wie finde ich einen gnädigen Gott?” – das war die einschneidende Frage, die sich Reformator Martin Luther stellte. An deren Antwort sollte die Christenheit vor rund 400 Jahren zerbrechen. Die Antwort auf die Frage nach der Rettung spitzte Luther zu auf die Alternativen: allein durch die Gnade (“sola gratia”) oder auch durch die Werke wie gute Taten, das Gebet und das Fasten. Diese sogenannte Werkgerechtigkeit wurde für ihn zum Schlagwort gegen die katholische Kirche. Der Bruch in dieser theologischen Frage blieb und wurde zu einem Marker der Reformation.

Erst der ökumenische Dialog des 20. Jahrhunderts ebneten neue Wege theologischen Denkens aufeinander hin. Ein Konsens auch in dieser strittigen Frage wurde durch die vor 25 Jahren, am 31. Oktober 1999, von Lutheranern und Katholiken in Augsburg unterzeichnete “Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre” erreicht.

Das Konsensdokument hielt für beide Seiten fest: “Rechtfertigung geschieht allein aus Gnade”. Damit war übereinstimmend erklärt, dass sich der Mensch Gott gegenüber in keiner Weise auf seine eigenen Bemühungen verlassen kann, sondern immer auf die rettende Gnade Gottes angewiesen ist. Katholiken betonen zudem die Mitwirkung des Menschen bei seiner Rechtfertigung: ‘Gott heiligt den Menschen nicht ohne den Menschen’. Der Ökumeniker Wolfgang Thönissen erinnert sich, dass sie zu den umstrittensten Fragen gehörte: “die Frage nach den guten Werken des Gerechtfertigten”. Gemeinsam sei auch hier festgehalten, dass die guten Werke der Rechtfertigung folgen und Früchte der Rechtfertigung sind.

Doch deshalb war diese Konsensökumene auch nicht unumstritten. Denn die Erklärung war ein bilaterales Dokument zwischen der katholischen Kirche und dem Lutherischen Weltbund (LWB). Die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) besteht jedoch auch aus reformierten und unierten Christen. Doch nach den Methodisten und Anglikanern schloss sich auch die Reformierten der Erklärung 2017 an.

Wunsch dabei war, dass das Reformationsgedenken im selben Jahr, das am 31. Oktober an den Thesenanschlag Martin Luthers erinnerte, zu einem gemeinsamen “Christusfest” der Protestanten werden sollte.

Insofern eröffnete die Gemeinsame Erklärung auch neue Wege in einer multilateralen Ökumene. Verena Hammes, Geschäftsführerin der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK), sieht darin einen “ökumenisch nicht hoch genug zu würdigender Rezeptionserfolg”. Dennoch seien konkrete Schritte aus der Unterzeichnung der Erklärung bislang weitestgehend ausgeblieben.

Zudem wurde des Reformationsgedenken 2017 auch eine Zäsur im Dialog. Zur Vorbereitung auf das große Fest (“Lutherdekade”) veröffentlichte die EKD 2014 einen Grundlagentext mit dem Titel “Rechtfertigung und Freiheit” – allerdings ohne die Gemeinsame Erklärung darin zu erwähnen.

Bischof Bertram Meier, Mitglied der Vatikanbehörde für die Ökumene, erkennt in solchen Entwicklungen, dass “Ökumene nicht statisch” ist. Sie sei ein Weg, auf dem es Phasen besonderer Intensität gebe, in denen man sich über das Erreichen von Etappenzielen freuen könne, auf dem es aber auch Zeiten gebe, wo es steil und mühsam werden könne und wo besonderes Durchhaltevermögen gefordert sei, so der Augsburger Bischof.

Der nächste Schritt soll nun eine Erklärung zu den Themen Kirche, Eucharistie und Amt sein – möglichst bis 2030, dem 500-Jahr-Jubiläum des Augsburger Bekenntnisses. Dieses fasste 1530 die Lehre und Praxis der lutherischen Kirche zusammen. Der Augsburger Bischof verbindet mit diesem weiteren Jubiläum große Hoffnungen. Für ihn handelt es sich bei der “Confessio Augustana” um ein “vorkonfessionelles Zeugnis der Einheit”. “Die Confessio Augustana ist theologisch ein so tiefer Text, dass wir ihn als Schatz ökumenisch zu heben versuchen sollten”, so der Ökumeniker weiter.

Auch der Leiter der vatikanischen Ökumene-Behörde, Kardinal Kurt Koch, versucht derzeit, die ökumenischen Gesprächspartner von einer weiteren Erklärung zu überzeugen. Hier tun sich die lutherischen Gesprächspartner indes schwer. Der leitende lutherische Bischof in Deutschland, der hannoversche Landesbischof Ralf Meister, versteht das Ökumene-Modell für den Protestantismus und darüber hinaus als “Einheit in versöhnter Verschiedenheit”. Ökumene bedeute “für uns in erster Linie Einigkeit und nicht Einheit”, so Meister.

25 Jahre nach der Gemeinsamen Erklärung sind damit manche Hoffnungen auf eine baldige Kircheneinheit und Eucharistiegemeinschaft nicht erfüllt. Dennoch sind sich Christen nähergekommen. Die katholische Theologin Verena Hammes hofft daher, dass über die befreiende Botschaft der Rechtfertigungslehre in all ihren unterschiedlichen konfessionellen Akzentsetzungen weiter nachgedacht wird. Für die ACK gelte die Gemeinsame Erklärung jedenfalls als Auftrag und Verpflichtung an alle Kirche: “Ihre Bedeutung für das Miteinander und für das Zeugnis der Kirchen muss und kann neu erschlossen werden.”