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Erdbeersaftkussfrieden

Gedanken zum Predigttext für den 2. Sonntag nach Trinitatis.Von Uwe Baumann, Redakteur der Kirchenzeitung und Lektor im Kirchenkreis Lichtenberg-Oberspree.

Predigttext für den 2. Sonntag nach Trinitatis: Epheser17 Und er ist gekommen und hat im Evangelium Frieden verkündigt euch, die ihr fern wart, und Frieden denen, die nahe waren. 18 Denn durch ihn haben wir alle beide in „einem“ Geist den Zugang zum Vater. 19 So seid ihr nun nicht mehr Gäste und Fremdlinge, sondern Mitbürger der Heiligen und Gottes Hausgenossen, 20 erbaut auf den Grund der Apostel und Propheten, da Jesus Christus der Eckstein ist, 21 auf welchem der ganze Bau ineinander gefügt wächst zu einem heiligen Tempel in dem Herrn. 22 Durch ihn werdet auch ihr mit erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.

Von Uwe Baumann

Fridu ist eine Zumutung. Der althochdeutsche Begriff Fridu steht für Frieden und wird als heilsamer Zustand der Stille und Ruhe in Abwesenheit von Störungen und Krieg definiert. Klingt logisch. Vielleicht ist Fridu aber gerade deshalb immer wieder abwesend. Denn Stille dringt kaum noch zu uns durch und wenn, muss Stille fast zwanghaft mit Antistille gefüllt werden. Überdies verbreitet Fridu nervöse Geschäftigkeit, obwohl immer das Gegenteil behauptet wird. Zu viel Fridu macht nebenher auch gleichgültig und satt und bringt Leute auf unheilvolle Ideen. Andere Völker zu unterwerfen etwa. Oder den Planeten auszuschlachten, Frauen zu drangsalieren, Waffen an Despoten zu verkaufen, Waffen überhaupt zu ersinnen. Mit Waffen Frieden schaffen – auch so eine autohypnotische Redefigur, die regelmäßig nach hinten losgeht. Missverstandene Friedfertigkeit führt wohl am Ende gar dazu, Unfrieden zu stiften. Unfrieden greift über kurz oder lang Herzen und Hirne an, alsbald ist es Asche mit dem eigenen Seelenheil. Weil man dann das Glück der anderen nicht mehr ertragen kann. Vielleicht auch, weil das Glück der einen hauptsächlich auf dem Unglück der anderen gründet. Mich jedenfalls macht der grassierende Unfrieden unzufrieden, manchmal wütend. Möglicherweise fanden die Gedanken des Epheserbriefes in genau solch einer Situation zu Papier. In großer Unruhe, in Abwesenheit von Frieden. Inhaltlich ist die Botschaft trotz aller Mahnungen und der etwas oberlehrerhaften Sprache jedoch ein köstliches Geschenk an ihre Adressaten. „Durch Christus“, ist zu erfahren, werden wir „erbaut zu einer Wohnung Gottes im Geist.“ Der Mensch als mobiler Tummelplatz Gottes – ist das nicht eine abenteuerliche und wirklich verheißungsvolle Aussicht? Wie kommen wir also darauf, uns den Kopf darüber zu zerbrechen, wie wir noch mehr Vorteile erlangen können? Geht denn noch mehr als Fridu? Was sollte das sein? Ein Hundert-Euro-Schein? Warum sollten wir Gottes Friedensgeschenk, an das der Epheserbrief erinnert, dem Unfrieden opfern? Ganz ehrlich – sowas würden nur Idioten ernsthaft erwägen.

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