Engagement für Menschen aus der Ukraine

Über Monate nahmen mehrere Gemeinden Geflüchtete auf, Spenden halfen zusätzlich den osteuropäischen Partnerkirchen

Als der Ukraine-Krieg begann, war die Hilfsbereitschaft in der Lippischen Landeskirche groß. In der Flüchtlingsarbeit ist die Sprachbarriere noch eine Hürde, aber die Perspektiven für die Flüchtlinge gelten als sehr gut.

Binnen zwölf Stunden funktionierte die Reformierte Gemeinde Sylbach in Bad Salzuflen ihr Gemeindehaus in eine Flüchtlingsunterkunft um, als bekannt wurde, dass auch dort ukrainische Flüchtlinge eintreffen werden. Die Gemeindekreise und Chöre verlegten ihre Treffen vom Gemeindehaus in die Kirche. „Alle müssen sich arrangieren, flexibler sein, aber das klappt problemlos“, erzählt Pfarrer Dirk Mölling von seinen Erfahrungen in dieser Zeit. Aktuell wohnen zwei Familien mit insgesamt neun Personen im Gemeindehaus, drei andere Flüchtlingsfamilien wurden zwischenzeitlich privat von Gemeindemitgliedern aufgenommen.

Nicht nur Gemeindemitglieder, sondern auch Leute vom örtlichen Sportverein und der Grundschule boten der Gemeinde Hilfe an. Mindestens 90 Leute gehören zum Kreis der ehrenamtlichen Flüchtlingshelfer, schätzt Mölling. Entsprechend gezielt könne dort geholfen werden: „Letztens konnten wir einer Flüchtlingsfamilie binnen fünf Minuten eine neue Mikrowelle organisieren.“

Die Stiftung Eben-Ezer unterstützte zusätzlich

Derartige Hilfsaktionen für Flüchtlinge aus der Ukraine haben viele Gemeinden der Lippischen Landeskirche ins Leben gerufen. Zusätzlich zu den Notunterkünften, die viele Gemeinden in ihren Räumen eingerichtet haben, nahmen immer wieder Gemeindemitglieder Flüchtlinge privat auf. Familien mit Kindern mit Behinderungen kamen bei der Stiftung Eben-Ezer in Lemgo unter. Wie viele Flüchtlinge insgesamt in der lippischen Kirche aufgenommen wurden, konnte das Landeskirchenamt nicht mitteilen, weil es dafür noch keine zentrale Koordination gebe.

Mölling sieht die Wurzel für die Einsatzbereitschaft in der Geschichte seiner Gemeinde: Sie übernahm 1939 ihr späteres Gemeindehaus, das vorher dem CVJM gehörte, um zu verhindern, dass es enteignet wird und an die Hitlerjugend geht. „Die Gemeinde ist aus der Erweckungsbewegung entstanden. Das prägt einige unserer Leute bis heute. Das merkt man auch daran, dass hier sehr viel Arbeit ehrenamtlich geleistet wird: Gartenpflege, Reparaturen, Reinigung.“

Die Kirchengemeinde Lage-Kachtenhausen wurde bereits Anfang März aktiv: Ein seit Längerem leerstehendes Pfarrhaus wurde entrümpelt, gesäubert und als Notunterkunft für 15 Personen eingerichtet. Nach einem Aufruf im Internet standen binnen acht Stunden alle dafür benötigten Sachspenden bereit, unter anderem Ausstattungen für eine Küche und drei Bäder, eine Waschmaschine, Hygieneartikel, eine Kinderspielecke, Fahrräder und ein Fernsehgerät.

„Unser Team war super motiviert“, erinnert sich die Ehrenamtlerin Melina Braun. „Hilfsbereitschaft, Fürsorge und Zusammenhalt waren unglaublich. Die Gemeinde war längst nicht immer so lebendig wie heute. Das möchten wir aufrechterhalten.“ Mittlerweile hat eine der ersten Familien, die in dem ehemaligen Pfarrhaus untergekommen waren, eine eigene Wohnung gefunden. „Es ist gerade echt schwer, zu den Preisen, die das Jobcenter zahlt, Wohnungen zu finden“, erklärt Braun.

Dagegen bewertet sie die Integrationsarbeit in ihrer Gemeinde als Erfolg: Jede Woche finden zwei Deutschkurse statt und in mehreren Begegnungscafés konnten sich die Neuankömmlinge schon mit den Bewohnern des Ortes und mit früheren Flüchtlingen, die schon länger im Ort leben, austauschen. Zudem bietet eine ukrainische Kunstlehrerin in der Gemeinde kreative Aktionen in der Gemeinde an, die für viele eine willkommene Ablenkung sind.

Auf einem eigens eingerichteten Spendenkonto sammelte die Landeskirche in den ersten dreieinhalb Monaten des Krieges etwa 64 000 Euro. Mehr als 40 000 Euro davon gingen bereits an die Partnerkirchen der Lippischen Landeskirche in Litauen, Polen, Rumänien und Ungarn. Diese Länder nahmen bereits viele ukrainische Flüchtlinge auf, versorgten sie und organisierten Hilfstransporte. Auch der Jugendmigrationsdienst und die integrierte psychologische Beratungsstelle in Detmold hielten Beratungsangebote für Flüchtlinge bereit.

Vorrangiges Ziel sei nun, für diejenigen, die noch in privaten Gästezimmern von Gemeindemitgliedern wohnen, eigene Wohnungen zu finden, erklärt Dieter Bökemeier, der Landespfarrer für Diakonie und Migration. Die private Unterbringung könne immer nur eine vorübergehende Maßnahme sein.

Ausbildungen können anerkannt werden

Die langfristigen Perspektiven für die Flüchtlinge schätzt Bökemeier als sehr gut ein: Ein Aufenthalt von bis zu drei Jahren sei ihnen sicher, sie bekämen Leistungen vom Jobcenter und die Anerkennung von ukrainischen Berufsqualifikationen in Deutschland sei erleichtert worden, was angesichts des Fachkräftemangels in Deutschland viele Chancen biete.

„Viele Ukrainer schwanken zwischen der Hoffnung auf Rückkehr und dem Gedanken, sich hier ein Leben aufzubauen“, meint er. „Mir bereitet Sorge, dass andere Geflüchtete, zum Beispiel aus Afghanistan, rechtlich schlechter gestellt sind. Unsere Forderung: Wir als Gesellschaft sollten aus der bisher recht gut gestalteten Aufnahme der Ukrainer lernen und anderen Geflüchteten die gleichen Rechte ermöglichen.“

In Sylbach werden zwei Flüchtlingskinder nach den Ferien eingeschult. „Vielleicht fällt dann bald die Sprachbarriere“, meint Dirk Mölling. „Die ist nämlich der Grund, warum die Arbeit hier noch nicht so gut klappt, wie ich es mir wünsche.“ In dem ehemaligen Pfarrhaus in Lage-Kachtenhausen leben zurzeit noch 13 Personen. „Wenn jemand leerstehende Wohnungen in Lage oder der Umgebung kennt, sind wir dankbar für alle Angebote“, meint Melina Braun.