EM: Beratungsstellen rechnen nicht mit hohem Anstieg der Sexarbeit

Die Beratungsstellen für Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter in NRW rechnen nicht mit einer Zunahme der Prostitution durch die anstehende Fußball-Europameisterschaft. Ein „Ansturm“ auf die bestehende Szene durch Prostituierte aus dem Ausland sei definitiv nicht zu erwarten, sagte Tamara Degenhard, Leiterin der Landeskoordinierungsstelle Prostitution und Sexarbeit NRW, am Mittwoch in Dortmund. Allenfalls rechne man mit einem leichten Anstieg der Nachfrage an den EM-Spielorten. „Aber das ist auch bei jeder Messe so“, erklärte Degenhard.

Kritisch beurteilt die Expertin das Prostituiertenschutzgesetz von 2017 und fordert eine Reform. Zwar müssten sich Sexarbeiterinnen seitdem bei den Behörden anmelden. Doch das unkontrollierbare Dunkelfeld der Szene sei nach wie vor groß, sagte Degenhard, die auch Leiterin der Dortmunder Beratungsstelle für Sexarbeiterinnen „Kober“ ist. Gerade Menschen, die aufgrund einer Sucht in der Beschaffungsprostitution tätig seien, würden von dem Gesetz überhaupt nicht erreicht.

Zudem fühlten sich die vor allem aus Osteuropa stammenden Menschen in der Armutsprostitution durch das Gesetz stigmatisiert, etwa durch eine Ausweispflicht, die sie als Prostituierte kennzeichnet. „Das müsste angepasst werden, damit die Menschen auch erkennen, dass das Gesetz sie schützen und unterstützen soll, und dass es einen Sinn hat, sich anzumelden“, unterstrich Degenhard. Das in der Politik diskutierte „nordischen Modell“ mit einem Sexkaufverbot und gleichzeitiger Entkriminalisierung von Prostituierten sehe sie skeptisch. Es treibe die Menschen vermehrt in die Illegalität und vergrößere das Dunkelfeld noch, warnte sie. „In der Prostitution wird viel Geld verdient, entsprechend groß ist die kriminelle Energie, ein solches Verbot zu umgehen.“

Die Landeskoordinierungsstelle Prostitution und Sexarbeit NRW (LaKo) hat das Ziel, die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Menschen in der Prostitution und Sexarbeit zu verbessern. Sie wird als Modellprojekt vom nordrhein-westfälischen Ministerium für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration gefördert. Ihren Sitz hat die LaKo in der Beratungsstelle „Kober“, die vom Sozialdienst katholischer Frauen in Dortmund getragen wird.