„Eldorado KaDeWe“ – Familiensaga um das Berliner Luxuskaufhaus

Den geschäftlichen und privaten Turbulenzen im Leben der KaDeWe-Gründerfamilie und zwei ihrer Angestellten in den Golden Twenties folg die aufwändig in Szene gesetzte Miniserie „Eldorado KaDeWe – Jetzt ist unsere Zeit“.

In Zusammenarbeit mit filmdienst.de und der Katholischen Filmkommission gibt die KNA Tipps zu besonderen TV-Filmen:

Hoffnung: Das sei das Wichtigste, was Berlin jetzt braucht! So versichert es Harry Jandorf (Joel Basman) seinem Vater, dem jüdischen Besitzer des Berliner Kaufhaues des Westens (KaDeWe). Und diese Hoffnung verkauft man den Leuten nicht, indem man wie die anderen Berliner Kaufhäuser auf Artikel des täglichen Bedarfs setzt, sondern indem man eine Gegenwelt des Besonderen, des Luxus und des Glamours bietet. Und sich damit an jene Klientel wendet, für die nach dem Ersten Weltkrieg eine Zeit des Aufbruchs und der neuen Chancen angebrochen ist.

In den 1920er-Jahren ist Berlin noch vom Ersten Weltkrieg gezeichnet; Arbeitslosigkeit, Inflation und politische Unruhen prägen die Metropole der jungen Weimarer Republik. Zugleich macht sich aber auch Aufbruchstimmung breit, nicht zuletzt bei jungen Frauen, die ihre Geschlechterrolle neu zu definieren beginnen. Eine von ihnen ist Harrys lesbische Schwester Fritzi (Lia von Blarer). Zusammen mit dem charismatischen, aber psychisch angeschlagen Weltkriegsheimkehrer Harry und mit Hilfe eines jungen Buchhalters (Damian Thüne) will Fritzi den Konsumtempel in die neue Zeit führen. Zugleich verliebt sie sich in eine der Verkäuferinnen (Valerie Stoll).

Das Ringen dieses Quartett aus sehr gegensätzlichen Charakteren um die wirtschaftliche Zukunft sowie um persönliche Selbstentfaltung stößt allerdings auf massive Widerstände, die schließlich mit dem Erstarken des Nationalsozialismus existenzbedrohend werden.

Die von Julia von Heinz inszenierte Miniserie von 2021 um das 1907 gegründete legendäre Berliner Kaufhaus sucht dezidiert den Schulterschluss mit der Gegenwart, indem Bilder des gegenwärtigen Berlin in den teils auf Fakten beruhenden, teils fiktionalisierten historischen Stoff miteinfließen.

Vom Antisemitismus über Homophobie bis zum Erstarken des rechten Populismus werden viele Themen angespielt; die Handlung zielt aber weniger auf ein breites gesellschaftliches Panorama ab, sondern bleibt auf die Schicksale ihrer vier Protagonisten konzentriert. Dank glänzender Darsteller überzeugen diese als vielschichtig-schillernde Charaktere.

In den letzten Wochen des Jahres 1918 gehen Millionen Berliner auf die Straße, um den deutschen Kaiser zu stürzen und eine demokratische oder gar sozialistische Republik zu etablieren. Die teils blutigen Auseinandersetzungen spüren auch die Angestellten des KaDeWe, der ersten Adresse für die Betuchten und Vermögenden. Fritzi (Lia von Blarer) und Harry (Joel Basman), die Kinder des Eigners Adolf Jandorf (Jörg Pose), stehen bei einem Überfall auf das Kaufhaus pikanterweise auf verschiedenen Seiten der Barrikaden.

Um das Schicksal der beiden sowie des Prokuristen Georg (Damian Thüne) und der Verkäuferin Hedi (Valerie Stoll) dreht sich die Miniserie „Eldorado KaDeWe – Jetzt ist unsere Zeit“, die von Julia von Heinz nach einem Buch von ihr, John Quester, Sabine Steyer-Violet und Oskar Sulowski inszeniert wurde. Die Handlung zieht sich über die gesamte Zeit der Weimarer Republik.

Inflation, Weltwirtschaftskrise und die tiefgreifenden Veränderungen in der Gesellschaft gehen an dem Nobelkaufhaus am Tauentzien nicht vorbei. Und natürlich bekommen es die Eigentümer jüdischen Glaubens zu spüren, als der latente Antisemitismus mit der Machtübernahme der Nazis in offenen Hass umschlägt. 3sat strahlt die sechs Folgen am 8. Dezember ab 20.15 Uhr hintereinander aus.

Harry ist von seinen schrecklichen Erlebnissen in den Schützengräben des Ersten Weltkriegs traumatisiert. Immer wieder holen ihn die Bilder eines Kameraden (Martin Bruchmann) ein, der sich selbst die Pistole an den Kopf hält. Seine Ängste verdrängt er mit Sex, Drogen und Feiern. Die Nächte verbringt er im angesagten Szene-Nachtclub „El Dorado“ und mit der Prostituierten Erica (Christine Grant). Für den Sendeplatz geht es dabei sehr offen zur Sache.

Diese Offenheit wagt der Film auch beim Liebesleben von Fritzi. Die überzeugte Feministin ist frustriert, dass der Vater nicht sie, sondern den unzuverlässigen Bruder in die Leitung des Hauses einbezieht. Sie lebt ihre Liebe zu Frauen offen aus und verliebt sich unsterblich in das Arbeiterkind Hedi, die die Gefühle erwidert.

Als die erotische Liaison auffliegt, wird Fritzi zur Behandlung in eine Anstalt gesteckt, wo ihr die „abartige Krankheit“ ausgetrieben werden soll. Hedi heiratet ihren Langzeitverehrer Rüdiger (Tonio Schneider), der eine steile Karriere bei den Nazis macht. Mücke (Neele Buchholz), Hedis geistig behinderte Schwester, ist ihm ein Dorn im Auge.

Prokurist Georg ist für den alten Jandorf wie ein drittes Kind. Gezielt hat er dessen Karriere gefördert, jetzt gilt er als ruhender Pol in stürmischen Zeiten. Ihm fehlen Visionen für die Zukunft des Hauses, doch er ist ein zuverlässiger Kaufmann. Als sich die Familie eines Übernahmeversuchs nicht mehr erwehren kann, wird aus dem Geschäftsführer ein gleichberechtigter Partner.

Die Familiensaga von 2021 gehört zu mehreren fiktionalen Serien um die Geschichte weltbekannter Berliner Institutionen aus dem Hause Constantin. Auf das Nobelkaufhaus West folgte der Friedrichstadt-Palast Ost im ZDF-Sechsteiler „Der Palast“. Beide Serien nutzten bekannte dramaturgische Muster und Geschichten, um hinter die Kulissen zu schauen.

„Eldorado KaDeWe“ schwimmt auch ein wenig auf dem Hype um „Babylon Berlin“ mit – ausgiebig wird das wilde und schillernde Leben der Boheme in den Goldenen Zwanzigern zelebriert. Auf der Strecke bleibt leider weitgehend die andere Seite des Alltags in der Metropole. Der soziale Riss durch die Gesellschaft fällt zu Gunsten des Feminismus gar ganz unter den Tisch.