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“Einsamkeit ist immer noch ein Tabuthema”

Ein neues Bündnis aus Initiativen, Stiftungen, Organisationen und Verbänden will Einsamkeit in Hamburg wirkungsvoller bekämpfen. Am Mittwochabend kamen die Teilnehmenden des Bündnisses gegen Einsamkeit in Hamburg (BgEH) erstmals zum Kick-Off zusammen. „Hamburg hat bisher keine übergreifende Strategie gegen das zunehmende Problem der Vereinsamung“, sagt Cornelia Springer-Fouad, Initiatorin und Geschäftsführerin der Bergedorf-Bille-Stiftung, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ziel sei es, möglichst viele Initiativen und Projekte im Bündnis zu vernetzen, 16 Mitgliedsorganisationen seien bereits dabei.

„Wir wollen einen Überblick schaffen, was wo in der Stadt angeboten wird“, erklärt die 41-jährige Initiatorin. Nur so könnten Versorgungslücken erkannt und Angebote verbessert werden. Beim ersten Treffen stellten sich Initiativen aus den Bereichen Nachbarschaft, Sozialraum, Kinder und Jugendliche, Teilhabe, Barrierefreiheit, Migration, Armut und freiwilliges Engagement vor. Beteiligt waren unter anderem der Paritätische, die Pestalozzi Stiftung, Haspa Hamburg Stiftung, Kulturleben Hamburg, Bergedorf-Bille-Stiftung, das Aktivoli Landesnetzwerk, die Hildegard und Horst Röder-Stiftung sowie die Bürgerstiftung Hamburg.

„Es gibt viele beeindruckende, kleine Initiativen gegen Einsamkeit, die zu wenig bekannt sind“, sagt Springer-Fouad, die das ändern will. Alle Organisationen, Ehrenamtliche oder Firmen, die sich hier engagieren, können sich per E-Mail (stiftung@bergedorf-bille.de) an das Bündnis wenden. Vom offenen Netzwerk sollen nicht nur Einsame, sondern auch die Initiativen profitieren: „Durch eine bessere Zusammenarbeit können wir Doppelstrukturen vermeiden, Synergien schaffen und unsere Energie besser bündeln“, erklärt sie.

Dabei versteht sich das Bündnis auch als Sprachrohr zwischen Zivilgesellschaft, Verwaltung und Politik. „Mit der Sozialbehörde sind wir bereits in einem regen Austausch zum Thema“, sagt Springer-Fouad. Auch Forschung über Einsamkeit in Hamburg soll angeschoben werden.

„Einsamkeit ist immer noch ein Tabuthema. Vielen Menschen ist es peinlich zuzugeben, dass sie sich allein fühlen“, sagt Springer-Fouad. Dabei könne Einsamkeit jeden oder jede treffen, das Thema müsse sichtbarer werden. Durch die demografische Entwicklung werde Alterseinsamkeit deutlich zunehmen, aber auch junge Menschen fühlen sich einsam: „Sie haben zwar hunderte Social Media-Freunde, aber keine Schulter zum Anlehnen“, sagt Springer-Fouad. Betroffen seien oft auch Migrantinnen und Migranten, die ihre Heimat verloren haben.

Es sei ein vielschichtiges Phänomen, mit unterschiedlichen Ursachen. Und so reichen auch die Angebote der Bündnis-Initiativen von Beratungsangeboten unter Jugendlichen zur Suizidprävention über Gärtnern mit Migranten bis zum HVV-Bustraining von und für Senioren. Springer-Fouad: „Wir wollen einsame Menschen aller Generationen, Kulturen und Lebensphasen erreichen. Dafür müssen wir noch mehr werden.“