Eine Zeltstadt zum 100. Jubiläum

Zu ihrem 100-jährigen Bestehen kommt die Christliche Pfadfinderschaft Deutschlands in der Lüneburger Heide zusammen.

Aufbau der Zeltstadt der "Christlichen Pfadfinderschaft Deutschlands" (CPD) im niedersaechsischen Bennebostel bei Celle.
Aufbau der Zeltstadt der "Christlichen Pfadfinderschaft Deutschlands" (CPD) im niedersaechsischen Bennebostel bei Celle.epd-bild/Karen Miether

Bennebostel, Kr. Celle. Neben Stimmengewirr dominiert das Klopfen der Äxte die Geräuschkulisse. Auf einem Acker in Bennebostel am Rande von Celle legen Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus ganz Deutschland letzte Hand an. Bis zum 7. August haben sie hier ihr Bundeslager aufgeschlagen. Rund 1.400 Menschen sind zusammengekommen, für die noch die letzten Bauten gezimmert werden. „Dafür haben wir 4.500 Kiefernstangen aus den Wäldern geholt“, sagt die Sprecherin des Lagers, Franziska Weiß, aus Langenhagen bei Hannover.

Pfadfinder-Verband mit langer Tradition

Sie spricht vom „Gänsehautmoment“, den sie gespürt hat, als zur Eröffnung alle das eigens komponierte Lied „In die neue Zeit“ angestimmt haben. Lange ist das Treffen vorbereitet worden, bei dem die „Christliche Pfadfinderschaft Deutschlands“ (CPD) als der bundesweit mit rund 5.000 Mitgliedern zweitgrößte evangelische Pfadfinderverband auch die Feier des 100. Jubiläums nachholen will. Der Verband sieht sich in einer Tradition, die 1921 ihren Anfang nahm, als christliche Pfadfindergruppen sich im thüringischen Neudietendorf bei Gotha zur Christlichen Pfadfinderschaft (CP) zusammenschlossen.

„Auch die Pfadfinderarbeit hat unter Corona gelitten“, sagt Weiß. Jetzt kommt immer mehr Leben in die Zeltstadt auf Zeit. Mädchen und Jungen, Männer und Frauen sägen Stämme und spitzen diese mit den Äxten, um sie später als Zeltstangen sicher zu verankern. Neben den klassischen Pfadfinderzelten, den Jurten und Kothen, stechen in den neun Abteilungen des Platzes fantasievolle Eigenkreationen hervor. Freddy Götz (21) und David Muth (25) aus Beilstein bei Heilbronn zeigen stolz den Großbau ihres „Stammes“, wie sich die Pfadfindergruppe nennt, und haben sogar das Modell noch dabei. „Vom Statiker überprüft“, versichert Götz. „Und nur aus Holz, Seilen und Zeltbahnen.“

Äußere Werte bleiben zu Hause

Wie alle hier trägt er ein graues Hemd mit blauem Halstuch und dem Abzeichen der Lilie. „Äußere Werte bleiben zu Hause“, betont er. „Für sie ist hier kein Platz.“ Schon der Erfinder der Pfadfinder, der ehemalige englische General Sir Robert Baden-Powell (1857-1941) führte für seine Scouts eine einheitliche Kluft ein. Am 1. August 1907 eröffnete er das erste Pfadfinderlager auf der britischen Kanalinsel Brownsea Island. Baden-Powell hatte die Idee, Aktivitäten in der freien Natur, internationale Begegnungen sowie gemeinnütziges und friedensethisches Engagement zu vereinen. Abenteuergeschichten und „learning by doing“ gehörten zum Konzept, das eine weltweite Bewegung begründete.

Bei dem Lager nahe Celle steht neben den Jubiläumsfeierlichkeiten auch ein sogenannter Hajk auf dem Programm. Drei Tage lang wollen die „Pfadis“ dann in kleinen Gruppen mit ihren Zelten losziehen und die Gegend erkunden. Zelten in der Natur gehört auch sonst zum Alltag der Pfadfinder, erläutert Franziska Weiß, zumindest für die älteren ab 12 Jahren. Die Kleineren – Wölflinge genannt – übten sich zunächst in Gemeinschaft. „Das Pfadfindermotto ‚allzeit bereit‘ sollte auch in kleine Dinge im Alltag eingebracht werden“, erläutert die hauptberufliche Lehrerin. Im Lager, wo alle mit anpackten, sei das gut zu erkennen.

Pfadfinder ist man ein Leben lang

Martin Dressler (55) zum Beispiel kocht in einem wie eine Kombination aus Ofen und Topf anmutendem Saubrühkessel Wasser auf, für Tee und, um Geschirr heiß zu reinigen. Der Maschinenbauingenieur leitet die Forschungsabteilung eines großen Werkzeugherstellers, wie er berichtet. „Aber das hat hiermit gar nichts zu tun“, fügt er lachend an. Bei den Pfadis kennen ihn alle nur als MD.

In Bennebostel sind Menschen im Alter von sieben Monaten bis zu 86 Jahren vertreten, sagt Weiß: „Bei uns im Bund kann man ein Leben lang Pfadfinder sein.“ Dennoch mache die Jugendarbeit einen Schwerpunkt aus. Dass Alkohol und Zigaretten auf dem Gelände verboten sind, versteht sich. Auch Handys dürfen nicht mitgenommen werden. „Digital Detox“, scherzt Weiß. Die drei Jungs, die Bauteile für einen Kraken aus Zeltplanen herbeischleppen, stört das nicht. „Ich mag gerne draußen sein“, sagt „Grimukas“ aus Hamburg, den es genau deshalb zu den Pfadfindern gezogen hat. Auch er hat von seinem Gruppenleiter einen Spitznamen bekommen. Er verrät: Die Abkürzung steht für Grinsen, Kasper und Mut. (epd)