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Eine Ordensfrau im Trümmerfeld des Kölner Doms

Sie machte die Wunden Kölns sichtbar: Als wohl einzige Frau fotografierte die Nonne Margarita Neiteler den kriegszerstörten Kölner Dom. Ihre Bilder sind auch heute noch Mahnung.

Köln liegt 1945 in Trümmern. Auch dem Dom haben die Bombenangriffe der letzten Kriegsjahre schwer zugesetzt. Die Fensteröffnungen sind leer, in weiten Teilen fehlt das Dach, überall liegen Schutt und Gestein herum. Und mittendrin läuft eine kleine Nonne durch die Ruine, die jedes Detail der Zerstörung mit einer alten Plattenkamera einfängt. Ihr Name ist Schwester Margarita Neiteler. Sie ist die wohl einzige Frau, die nach dem Krieg als Fotografin die Kölner Kriegsschäden dokumentiert. Ihre Arbeit ist lange Zeit nahezu unbekannt. Doch nun erzählt eine Ausstellung ihre Geschichte.

Eine Nonne, die mit wehendem Schleier, flatterndem Kameratuch und einer 13 Kilo schweren Kamera auf Baugerüste geklettert ist, müsste eigentlich eine lokale Berühmtheit sein. Doch Margarita Neiteler war bescheiden, sagt der Mann ihrer Nichte, der Kölner Fotograf Manfred Linke. “Für sie war das Fotografieren am Dom ihr kleines Ämtchen für Kirche und Glauben. Danach war sie in erster Linie wieder Nonne”, erzählt er.

Selbst in der eigenen Familie und ihrem Orden sei das Ausmaß von Neitelers Tätigkeit am Dom lange nicht bekannt gewesen. “Auch ich habe erst 1999, nachdem ich bei ihr war, erkannt, welche Qualität diese Arbeit hatte”, so Linke. 2002 habe sie ihm vor ihrem Tod noch einige Bilder und Briefe zukommen lassen. Doch der Großteil ihres Werkes sei zu diesem Zeitpunkt nicht auffindbar gewesen. Bis zu einem Bericht des “Kölner Stadt-Anzeigers” von 2023. Darin fand sich ein Bild Neitelers – mit einem Vermerk zum Rheinischen Bildarchiv. In seinem Bestand finden sich einige der Fotografien, wenn auch ohne die Dokumentation ihrer ungewöhnlichen Entstehungsgeschichte, wie Linke herausfand.

Der Fotograf begab sich auf die Suche, und wurde in diversen Archiven und im Familienbesitz fündig. Er beschloss, die Werke der Schwiegertante erstmals zu erfassen und sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Das Ergebnis kann aktuell noch bis zum 18. Januar in der Ausstellung “Finding Margarita Neiteler” in den Kölner Räumen der Michael Horbach Stiftung besichtigt werden.

Ausgestellt sind neben 34 Bildern der Nonne auch private Briefe und Bücher, die zeigen, wer Schwester Margarita eigentlich war. Sie wurde 1913 in Greven im Münsterland geboren. Nach einer kaufmännischen Ausbildung trat sie in den Orden der Hiltruper Missionsschwestern ein. Von 1938 bis in die 1960er wirkte sie als medizinische Fotografin und Röntgenschwester im Kölner Krankenhaus Hohenlind. Als Fotografin trat sie laut Linke nie öffentlich in Erscheinung – weder vor noch nach dem Krieg.

Trotzdem erklärte sich Schwester Margarita bereit, in den Jahren 1945 bis 1949 die Kriegsschäden am Dom zu fotografieren – wohl auch weil das Krankenhaus noch über eines der wenigen funktionierenden Fotolabore der Stadt verfügte. Ein weiterer Grund war laut Linke, dass zur 700-Jahrfeier des Doms im Jahr 1948 ein Fotobuch für Papst Pius XII. erstellt werden sollte.

Für diese Aufgabe brachte Neiteler nach Ansicht Linkes ein besonderes Gespür für Licht, Schatten und Kontraste mit. Zudem habe die Nonne erstaunlich analytisch-fotografisch gedacht. Fähigkeiten, die ihr trotz fehlender Ausbildung professionelle Aufnahmen ermöglichten. Es sind Fotos von verschiedenen Stadien der Zerstörung. So hielt Neiteler fest, wie Arbeiter beim Wiederaufbau große Stahlkonstruktionen in die Höhe zogen, um den Dom zu sichern. Mit Bildern, die sie aus zerborstenen Fensterrahmen aufnahm, lenkt sie den Blick auf das zerbombte Köln. “Sie hat den kaputten Dom herausgehoben aus diesem Trümmerfeld”, zeigt sich Linke begeistert.

Trotz der Zerstörung zeigen die Bilder für den Kölner Fotografen den Dom in seiner ganzen Würde und spirituellen Bedeutung. Zugleich seien die Aufnahmen gerade heute ein wichtiges Zeitzeugnis: “Die Bilder zeigen eine ganz andere Betroffenheit. Krieg ist eben kein Computerspiel.”